Literatur mit Fußnoten

Thomas Leitner, Sebastian Fasthuber
Feuilleton, FALTER 12/2023 vom 22.03.2023

Der Südtiroler Schriftsteller Josef Oberhollenzer stellt Vitus Sültzrather zum dritten Mal in den Mittelpunkt einer vielstimmigen Geschichte. Der von einem Erbhof stammende Kauz ist seit einem Sturz gelähmt. Eine nur als "F." firmierende Figur liefert dem Ich-Erzähler Details aus Vitus' Leben. Die Informationen wiederum kommen von Zeitgenossen, die in einer sonst wortkargen Welt auf Friedhofsbänken und an Wirtshaustischen plötzlich mitteilsam werden - oft stammen sie aus dritter, vierter Hand.

Vermittelt werden auch Kuriosa aus der Bauernwelt, die Unterdrückung der "Deitschen" durch die Faschisten sowie linguistische Eigenheiten des lokalen Dialekts; Ausflüge in die Literaturgeschichte führen in die Barocklyrik. Oberhollenzer besticht erneut durch eigensinnigen Humor und Fußnotenakribie.

Josef Oberhollenzer: Prantner oder Die Erfindung der Vergangenheit. Folio, 232 S., € 22,–


Künstliche Intelligenz ist für Dichter vor allem aufgrund ihrer Fehler interessant; sie kann für unfreiwillige Komik oder seltsame Poesie sorgen. Solche Gedanken mag sich auch Paul Divjak bei seinem jüngsten Buchprojekt gemacht haben. Der Autor und Medienkünstler ließ Zitate über Österreich von Google Translate ins Thailändische und wieder retour übersetzen.

Aus Robert Hochners Diktum "Österreich ist ein Parteibuchland, immer gewesen" etwa wird "Österreich war schon immer ein Land, in dem Bücherpartys veranstaltet wurden". Im Hauptteil stehen die "falschen" Übersetzungen ("Österreich ist kein Top-Reiseziel mehr für Traktoren"), die Fußnoten mit den Originalzitaten im Anhang ("Österreich ist nicht mehr Top-Zielland für Schlepper"). Nonsens und Sprachkritik, friedlich vereint.

Paul Divjak: Ich liebe Österreich, Österreich ist meine Lieblingsstadt. Ritter, 96 S., € 15,–

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