Nie auf den Titel schwören, Musik muss man hören

Feuilleton, FALTER 12/2023 vom 22.03.2023

Gibt es Menschen, die Brassbands nicht mögen? Wahrscheinlich schon, aber die kommen halt in die Hölle, hehe. Hierzulande, wo man eher der Blasmusik zuneigt, haben wir immerhin die "Musicbanda" Franui sowie Federspiel. Sechs Blechbläser und eine Klarinette bilden ein Ensemble, dessen sonoren, zwischen strahlend und samtig changierenden, stets süffigen Schönklang man sich auf "Albedo" (O-Tone) schwer entziehen kann. Das sanfte Pulsieren erinnert zuweilen an die Minimal Music eines Steve Reich, auch Assoziationen an Filmmusik drängen sich auf.

Agiert das Fähnlein der sieben von Federspiel gnadenlos kulinarisch, so ist bei Krbavac /Salesny /Dolp das einzig Liebliche der kontraintuitive Titel des Albums "Die Liebe wird siegen" (Jazzwerkstatt). Dass die Viola da gamba im Free Jazz bislang vernachlässigt wurde, ist wohl den wenigsten aufgefallen. Dieses Defizit wurde jedenfalls behoben: Eine gute Stunde erratisch schabender, trötender und klöppelnder Improvisation, für die das Booklet die Gebrauchsanweisung liefert: "Man muss das durchrauschen lassen."

Niki Dolp trommelt auch bei Memplex, was stark für seine musikalische Ambiguitätstoleranz spricht. Wiederum führt hier der Albumtitel eher in die Irre, denn obgleich Stücke wie "Pointilistic" in eine andere Richtung tendieren, dominiert auf "Villains" (Listen Closely) eine schwelgerische, mitunter geradezu feierliche und melodieselige Melancholie, die alles andere als furchterregend ist. Mit welcher Achtsamkeit die Beteiligten - neben Dolp noch Mario Rom (tp), Werner Zangerle (ts), Philipp Jagschitz (p) und Walter Singer (b) - einander Raum lassen und ihre Soli gestalten, ist beeindruckend. Die Ministranten von Memplex mögen sich also bitte um die längst ausständige Renaissance des Genres Jazzmesse kümmern!

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