Eine Trobairitz der Selbstbehauptung
Auf ihrem aktuellen Album "Mélusine" unternimmt Cécile McLorin Salvant einen Ausflug ins Mittelalter und bestätigt ihren Ruf als kühne Gestaltwandlerin des Jazzgesangs

Die Sängerin Cécile McLorin Salvant verbindet emotionale Dringlichkeit mit subtiler ästhetischer Raffinesse (Foto: Karolis Kaminskas)
Die glückliche und mit Kindern gesegnete Ehe zwischen Ritter Raymond und der schönen Melusine basiert auf einem Verbot: Dem Gatten ist es nicht gestattet, seine Frau nackt zu sehen. Als er eines Tages gegen dieses Tabu verstößt und gewahr wird, dass die Badende nabelabwärts einen Schlangenleib besitzt, verwandelt sich Melusine vollends in besagtes Reptil und verschwindet.
Soweit der Kern des Melusine-Mythos, der in mehreren Romanen des Hochmittelalters seinen literarischen Niederschlag fand. Die US-Sängerin Cécile McLorin Salvant, 33, hat diesen Sagenstoff zum Mittelpunkt ihres neuen Albums "Mélusine" gemacht, dem bereits siebten ihrer beachtlichen Karriere.
Der feierlich getragenen, nur von einer Gitarre begleiteten Eigenkomposition "Mélusine" haftet selbst etwas Archaisches an. Text und/oder Musik einiger der 14 Stücke aber stammen tatsächlich aus dem Mittelalter und verweisen etwa auf Iseut de Capio, einer Trobairitz - als solche bezeichnet man die weiblichen Troubadore aus dem Süden Frankreichs, die auf Okzitanisch sangen (einer romanischen Sprache, die sich aus dem Vulgärlatein entwickelt hat).