Pasolinis letztes Interview: Zum 101. Geburtstag als Videoschleife

FALTER:Woche, FALTER:Woche 14/2023 vom 05.04.2023

Italophile Cineasten und Literaturliebhaber erkennen das Datum 1./2. November 1975 als ein Trauriges: In jener Nacht wurde Pier Paolo Pasolini getötet. Wer den Regisseur und Schriftsteller ermordete, wurde nie geklärt. Eine Theorie: Für sein Buch "Petrolio" war der 53-Jährige korrupten Machenschaften in der staatlichen Erdölgesellschaft auf der Spur, und das wurde ihm zum Verhängnis.

Die französische Künstlerin Lili Reynaud-Dewar setzt sich in ihrer Ausstellung "Rome 1er et 2 novembre 1975" im Mak mit Pasolinis letzten Stunden auseinander. Kurz vor seinem Tod sprach der skandalträchtige Autor noch mit einem Journalisten über seine Homosexualität und den Faschismus. Diesem finalen Interview gab auch Abel Ferraras Bio-Pic "Pasolini" 2014 viel Raum. Im Unterschied zum US-Regisseur kreierte Reynaud Dewa eine vierteilige Videoinstallation, in der sie viel verfremdet. Als Darstellende hat sie Persönlichkeiten wie die Künstlerinnen Verena Dengler und Marina Faust, den Poptheoretiker Diedrich Diederichsen und sogar ihre eigene Mutter eingespannt. Alle stellen sie das Treffen zweier Männer nach; die Szenen sind in Rot, Blau oder Grün getaucht und spulen auf vier Wänden zeitversetzt dieselben Passagen in unterschiedlicher Besetzung ab.

Reynaud-Dewar widmet sich gerne historischen Figuren und deren Rezeption, Thema war etwa schon die Tänzerin Josephine Baker. Sie setzt Performance und Interview als Methoden ein, die oft miteinander verzahnt werden. So auch jetzt; allein das Ziel bleibt unklar: Was bringt dieses Wiederholen? Warum diese Leute? Und warum auch noch die Mordszene am Strand von Ostia "nachgespielt"? Die Übersetzung der Übersetzung der Übersetzung -es ist ein Laster der aktuellen Kunst. Die Frage nach dem Bedeutungszuwachs bleibt vor lauter Lust an der Freud -beziehungsweise am reinszenierten Stoff -leider allzu oft auf der Strecke.

Wer nun einige der am Boden verstreuten Hefte mitnimmt, die Interviews mit dem Cast enthalten, sei gewarnt: Die Gespräche behandeln alles Mögliche nur nicht Pasolini, sein Vermächtnis oder die Mak-Schau.

Mak, bis 6.8.

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