Spechte und der Sound des Gemeindebaus
Das ist der Sound des Gemeindebaus", hatte der Sebastian gesagt und mit dem Knöchel an die Fassade des Julius-Popp-Hofs geklopft. Die Julius-Popp-Hof-Beklopfung war äußerst aufschlussreich und gleich zu hören gewesen: Ziegel klingen anders. Weil aber Dämmmaterial und Verputz auf die Gemeindebauten des Roten Wien draufgetan wurden, sind die heute etwas fetter als in den 1920er-und 30er-Jahren, in denen sie errichtet wurden. Nichtsdestotrotz ist die architektonische und städtebauliche Qualität dieser von doktrinären Modernisten gerne naserümpfend als wahlweise martialisch, monumental, rückwärtsgewandt oder kryptobürgerlich benörgelten Wohnbauten später nur selten überboten worden; hatte ich schon gewusst, war mir aber nach der von Sebastian sachkundig kommentierten Beklopfung und -gehung des genannten und weiterer Höfe, die zum Teil ebenfalls vom unterschätzten Architektenteam Heinrich Schmid und Hermann Aichinger stammen, aber noch viel klarer geworden. Was ich mir noch gedacht habe, war, dass Spechte in Fassaden, die so klingen, sicher gerne reinhacken. Als jemand, der persönlich nicht davon betroffen ist, habe ich nämlich ein Faible für Spechtschäden, insbesondere dann, wenn sie auch noch bewohnt werden. Auf der Laaer-Berg-Straße (zwischen Urselbrunnen-und Collmangasse) hausen Stare und Blaumeisen in den Fassaden. Wobei ich zugeben muss, dass mir nicht klar ist, warum die Spechte da Löcher reinmachen: Suchen die dort nach Nahrung? Sind die Höhlen für den Eigenbedarf? Werden sie an Untermieter vercheckt? Oder hämmern die Spechte bloß rein, weil's geil klingt und Spaß macht? Favoriten scheint überhaupt ein gutes Pflaster für Spechtschäden zu sein. Die meisten davon habe ich an den Fassaden der Seligersiedlung entdeckt, die Anfang der 1950er-Jahre für "Heimatvertriebene" aus Böhmen und Mähren errichtet worden war, und zwar in einem Grätzl, dessen Gassen alle nach Stücken von Franz Grillparzer benannt wurden - von "Sappho" über "Medea" bis "Libussa". Man erreicht die Seligersiedlung am besten mit der U1 (Station Alaudagasse) und kann von dort in den unmittelbar angrenzenden und ebenfalls unterschätzten Volkspark Laaerberg mit seinem herrlichen weidenumstandenen Teich gehen. Nicht unwahrscheinlich, dass dort das Gelächter des Grünspechts zu vernehmen ist.