Wie die ÖBB in Russland Geschäfte macht
Die russische Speditionstochter der ÖBB ist trotz Angriffskriegs weiterhin aktiv. Ihr Partner: die Staatsbahn des Kreml RŽD
Am vergangenen Gründonnerstag landet bei der Rail Cargo Logistics RUS in Moskau die Anfrage eines österreichischen Unternehmens im Postfach. Es will T-Shirts aus dem chinesischen Chengdu ins russische Jekaterinburg importieren. Rail Cargo Logistics RUS ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der österreichischen ÖBB. Sie wickelt Logistikaufträge ab. Aus 13 chinesischen Provinzen führen ihre Routen in die vier russische Städte Moskau, St. Petersburg, Novosibirsk und eben Jekaterinburg. Die ÖBB wirbt mit "wöchentlichen Express-Verbindungen","attraktiven Laufzeiten von 14 bis zu 18 Tagen" und "Anknüpfung an unser beispielloses Netzwerk innerhalb Russlands und darüber hinaus".
Was die Rail Cargo Logistics RUS nicht weiß: Das völlig formlos gehaltene E-Mail ohne Adresse oder Firmennummer wurde aus der Falter-Redaktion verschickt. Den T-Shirt-Händler gibt es nicht. Noch am selben Tag schickt eine Mitarbeiterin der ÖBB-Tochter trotzdem einen Mustervertrag. Darin verpflichtet sich die Rail Cargo Logistics RUS, die Transporte auf internationalen Strecken, also auch im russischen Binnenverkehr, zu übernehmen. Der Vertrag solle in Euro, Dollar oder chinesischen Yuan abgeschlossen werden. Punkt 6.1 des Mustervertrags befasst sich mit einer "Force-majeure"-Klausel, also einem nicht vorhersehbaren Ereignis, das beide Vertragspartner aus der Verantwortung nähme. Zum Zuge kommt diese Klausel etwa bei "Krieg und Militäroperationen", aber auch bei "Embargos" und "staatlichen Entscheidungen". Die Rail Cargo Logistics RUS behält sich außerdem vor, Subunternehmer und "dritte Parteien" zu engagieren, um den Vertrag einzuhalten.