Zen-Jazzer ziehen übers Land, es formt die Gitarristenhand
Er feierte kürzlich seinen 83. Geburtstag und zählt zu den stillen Giganten des zeitgenössischen Jazz. Nun legt Ralph Towner mit "First Light" (ECM) ein Album vor, an dem er die genreübergreifende Musik, für die seine seit über 50 Jahren aktive Band Oregon bekannt ist, aufs Minimalformat herunterbricht: An der klassischen Gitarre bringt er neben Eigenem auch Standards oder das unkaputtbare Traditional "Danny Boy" zu Gehör. Nur gelegentlich groovend, bestechen die elf Stücke durch improvisatorischen Einfallsreichtum, ihre subtile, detailversessene Dramaturgie sowie durch die stupende Klangkultur, mit der Towner die einzelnen Töne wie ein Bildhauer zu formen scheint.
Nicht eben hyperexpressiv ausgefallen ist "A Short Diary"(ECM), das seinem Titel mit einer Spieldauer von 37 Minuten alle Ehre macht. Der Pianist Kit Downes scheint mitunter nachgerade Scheu zu haben, in die Tasten zu greifen, und auch sein britischer Landsmann Sebastian Rochford hatte als Schlagzeuger (etwa bei Shabaka Hutchings Sons of Kemet) schon sehr viel mehr zu tun. Nach zehn Minuten schleicht sich auf diesem kontemplativ-intimen Album, das dem Andenken des Vaters von Rochford gewidmet ist, erstmals so etwas wie Swing ein.
Alles andere als ein Haudrauf ist auch Jon Fält, der seit knapp zwei Jahrzehnten Becken-, Beserl- und Bassdrumdienste im Trio seines schwedischen Landsmannes Bobo Stenson versieht. Mit Anders Jormin am Bass begeben sich die beiden auf eine musikalische Reise, die den Teilnehmern trotz des gemeinsamen Ziels große Freiheit lässt, eigene Wege zu gehen. Die hauptsächlich von skandinavischen Komponisten stammenden Stücke auf "Sphere" (ECM) muten feierlich, filigran, mitunter ein bisschen gespenstisch an - oder wie zen-buddhistischer Haiku-Jazz (falls es den gibt).