"Die Welt ist alles, was der Fall ist"

FALTER:Woche, FALTER:Woche 17/2023 vom 26.04.2023

Manches davon fängt an, ein bisschen verwirrend zu werden", sagt Kate. Da hat sie schon erzählt, wie sie im Louvre der Wärme wegen Bilder verbrannte, auf halbem Weg nach Sparta ihre Periode bekam und im Kolosseum eine Katze sah. Sie hat berichtet, wie sie ihr Haus abfackelte und ihren kleinen Sohn verlor. Mexiko war ihre Heimat, aber Rom offenbar auch.

Kate in "Wittgensteins Mistress" nach dem Roman von David Markson aus dem Jahr 1988 ist eine unzuverlässige Erzählerin. Sie bewegt sich zwischen den Jahrhunderten, Zeitebenen und Kunstströmungen hin und her. Namen, Orte und Ereignisse fließen scheinbar ungeordnet ineinander. In Anna Laners konzentrierter Inszenierung spricht Sophie Hutter als Kate diesen komplexen, poetischen Text. Und er funktioniert überraschend gut auf der weißen, fast leeren Bühne, obwohl er auf den ersten Blick als völlig ungeeignet fürs Theater erscheint. Besonders viel Witz hat die Szene, in der Elfriede Jelinek, Sappho, Klytämnestra und Kassandra im Atelier von Artemisia Gentileschi aufeinandertreffen.

Was wirklich geschehen ist, spielt keine große Rolle, geht es doch darum, die männlich dominierte Geschichtsschreibung zu hinterfragen und ihr eine andere entgegenzusetzen - eine, in der Frauen masturbieren und menstruieren.

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