Feuer und Eis: Kroatische Heldinnen

FALTER:Woche, FALTER:Woche 17/2023 vom 26.04.2023

Hier haben die Frauen die Hosen an -zumindest die Partisanin Ruža (Nina Siewert) am Beginn von "Drei Winter". Tena Štivičić hat ihr Stück in Kroatiens Wendezeiten angesiedelt: Kriegsende 1945, Zerfall Jugoslawiens 1990 und Einzug des Kapitalismus 2011. Zwischen diesen historischen Szenen dreht Martin Kušej seine Bühne, Projektionen von Schlachten und Ruinen im Schnee verbinden sie.

Es ist immer dasselbe Haus, in dem drei Familiengenerationen ihre Tschechow'schen Konflikte und Geheimnisse pflegen. Die politischen Systemwechsel durchdringen noch die intimsten Beziehungen, etwa wenn Ružas Gatte Vlado (Tilman Tuppy) bis ins hohe Alter damit hadert, dass er auf der falschen Seite gekämpft hat. Was die Klassengrenzen angeht, so ist Sex die Währung, um diese -kurzfristig, aber mit langen Folgen -zu überwinden.

Štivičićs Drama reißt zu viele Schicksale an, um wirklich unter die Haut zu gehen. Nina Siewert sticht in ihrer Doppelrolle auch als Enkelin Alisa (aus London angereist) hervor. Sie tritt als Moralinstanz auf, von wegen Anständigkeit und sozialistische Ideale. Ihre Schwester Lucija (Andrea Wenzl), die einen zwielichtigen Geschäftsmann heiratet, hat die Zeichen der Zeit besser erkannt. Ihre Kampfrede liefert vor dem Finale des allzu gut geölten Dramas einen Knalleffekt.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"