Panta rhei: Kunsttrips zu Gletschern, Felsküsten und Regenwäldern

FALTER:Woche, FALTER:Woche 17/2023 vom 26.04.2023

An dem Begriff "fluid" - eingedeutscht "fluide"- kommt man im Kunstbetrieb derzeit kaum vorbei. Panta rhei, alles fließt und verfließt, Geschlechterunterschiede, Grenzen zwischen Mensch und Tier, Lebewesen und Dingen. Verflüssigung ist auch ein zentrales Motiv der Gruppenschau "Matrix Bodies" im Kunstraum Niederösterreich. Löblicherweise lässt die Kuratorin Frederike Sperling den Anglizismus bei ihrem überzeugenden Debüt als neue Leiterin weg.

Da gluckert es aus einer Box, und auf dem integrierten Screen erscheinen Bilder von Schnee und Eis. Caterina Gobbi hat auf dem Mont Blanc Geräusche des schmelzenden Gletschers aufgenommen. Zu einer Insel der Lofoten ist die litauische Künstlerin Eglé Budvytytè für ihr Video "Liquid Power Has No Shame" gereist. Nach ihrer Choreografie bewegen sich dort Performer:innen wie Krebse, reiben sich aneinander und scheinen mit der Felsküste zu verschmelzen. Wir hängen mit allen Lebewesen der Erde zusammen, besagt der Begriff "Interkonnektivität". Dass der Mensch nur ein Teil des Ökosystems und nicht dessen Beherrscher ist, haben Indigene wie die chilenischen Mapuche immer verstanden. Seba Calfuqueo entstammt diesem Volk; er würdigt dessen Rituale der Vereinigung mit der Natur im Performancevideo "Tray Tray Ko". Darin zieht der Künstler eine 30 Meter lange Stoffbahn durch den Regenwald zu einem heiligen Wasserfall. Textilien stechen gleich zu Beginn der Schau ins Auge, wo Sophie Utikal auf fliederfarbene Stoffe Frauen und Tiere genäht hat, die sich umeinander kümmern.

Auf dem Boden liegt "Mäander", eine flussartige Metall-Stein-Skulptur von Nona Inescu. Grafisch applizierte Wassertropfen überziehen Josèfa Ntjams poppige Serie von Bildmontagen, die an die Kultur des Samplings des afroamerikanischen Techno-Kollektivs Underground Resistance erinnert. Mit diesem subkulturellen sidestep landet die mitunter esoterische Werkauswahl wieder auf dem Boden. Einziger Haken: Der Beipackzettel zur Ausstellung erzählt von der Sphäre der Viren, was an den Arbeiten selbst kaum erkenntlich wird.

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