Putziger Fimmel

Peter Iwaniewicz hört beim Putzen „Smells Like Teen Spirit“ von Nirvana

Natur, FALTER 17/2023 vom 26.04.2023

Zeichnung: Georg Feierfeil

Mit dem Frühling und nach dem Wien-Marathon kommt das Putzen. Das ist eher laienhaft ausgedrückt, denn im professionellen Reinigungsmanagement unterscheidet man drei Grundarten: Sicht-, Erhaltungs- und Grundreinigung, wobei Letztere umgangssprachlich auch Frühjahrsputz genannt wird. Dieses zyklisch auftretende Verhalten wird durch Medien umfassend begleitet. Da findet man Empfehlungen zu den besten Frühjahrsputz-Songs ("I did it my way" von Frank Sinatra), Tipps zum rechten Zeitpunkt (nur in den Phasen des abnehmenden Mondes) und bildungsbürgerliche Ausführungen (das lateinische Verb "februare" bedeutet "reinigen").

Professionelle Sorgen macht sich auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit, das weiß, dass sich in Österreich täglich 60 Menschen beim Frühjahrsputz so schwer verletzen, dass sie ärztlich behandelt werden müssen. Die Hitparade der Blessuren führen Knochenbrüche (32 Prozent) an, dicht gefolgt von offenen Wunden (24 Prozent) und Prellungen (22 Prozent). Die amtswegig erhobenen Gründe erinnern an die Darwin Awards, eine Sammlung obskurer Todesarten: "Essigreiniger ins Auge gespritzt" oder auch "Riss der Sehne im Mittelfinger beim Aufziehen eines Spannleintuchs auf die Matratze". Beim Haustierputz rate ich ebenfalls zur Vorsicht. Meine Tipps: Hunden niemals ins Maul greifen, auch wenn die Zähne schmutzig sind. Reptilien: die Schuppen nicht entfernen. Kaninchen: keine karottenfarbenen Handschuhe zum Putzen anziehen. Rinder: Hörner nicht polieren.

Interessengruppen wie die US-amerikanische Soap and Detergent Association kennen auch die staubfreie Motivation hinter den Wischgewohnheiten: Zwei Drittel aller Amerikaner nennen einen selbstreferenziellen Grund für das auch jenseits des Atlantiks beliebte Ritual des spring cleaning: "It just needs to be done."

Das wirklich Wissenschaftliche zuletzt: Ricardo Azevedo von der University of Houston will in einem Computermodell bewiesen haben, dass die "Erfindung" der sexuellen Fortpflanzung in der Evolution einem genetischen Frühjahrsputz gleichkommt. Denn bei asexueller Reproduktion wie zum Beispiel durch Sprossung und anderen spaßlosen Aktivitäten bleiben schädliche Mutationen dem Lebewesen erhalten, während durch den Austausch von Genen - im Volksmund auch Sex genannt - schädliche, mutierte Gene eines Partners durch die intakten Gene des anderen wieder ersetzt werden können.

Was meint Gott dazu: "It just needs to be done."

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