Ein Abend als Gesamtkunstwerk: Mieczyslaw Weinbergs Oper "Der Idiot"
Lange war es still um Mieczysław Weinberg (1919-1996). Seit einigen Jahren erlebt der in Warschau geborene und vor den Nazis nach Russland geflohene jüdische Komponist glücklicherweise eine Renaissance. Nun hat das Theater an der Wien Weinbergs letzte Oper herausgebracht -"Der Idiot" nach Fjodor Dostojewskis gleichnamigem Roman.
Schon die ersten Takte haben es in sich: Wuchtige Paukenschläge und explosive Bläserakkorde künden vom Seelendrama einer desillusionierten Gesellschaft. Dreh-und Angelpunkt von Vasily Barkahtovs Inszenierung ist ein alter Eisenbahnwaggon. Hier trifft der aus dem Schweizer Sanatorium heimkehrende Fürst Myschkin auf den ebenfalls nach St. Petersburg reisenden Kaufmann Rogoschin - eine unheilvolle Begegnung, aus der sich eine fatale Beziehung zwischen Zuneigung und Verachtung, Intrige und Obsession, Aussichtslosigkeit und schließlich Mord entspinnt.
Barkhatovs Inszenierung gleicht einem packenden Psychothriller. Blitzschnelle Szenenwechsel, filmreifes Licht, zeitlose Kostüme und wenige Versatzstücke erzeugen eine ebenso soghafte wie beklemmende Atmosphäre, aus der es kein Entrinnen gibt. Musikalisch ist der Abend eine Offenbarung. Thomas Sanderling hat schon die Mannheimer Uraufführung dirigiert. In Wien entlockt der 81-Jährige dem RSO Wien düster-melancholische Klänge, die Weinberg mit prägnanten Leitmotiven durchzieht, um Dostojewskis Figuren musikalisch Leben einzuhauchen.
Dass dieser "Idiot" zum Gesamtkunstwerk gerät, liegt nicht zuletzt an den Protagonisten auf der Bühne. Sie sind fantastische Sänger und obendrein auch großartige Darsteller. Dmitry Golovnin gestaltet einen naiven, an den menschlichen Abgründen verzweifelnden Myschkin. Sein Pendant, der Wodka trinkende und sich ritzende Rogoschin, singt Dmitry Cheblykov mit bassbaritonaler Superkraft. Ebenfalls eine Wucht: Ekaterina Sannikova, die ihrer Nastassja messerscharfe Höhen und dramatische Tiefen verleiht, während Rivalin Aglaja (Ieva Prudnikovaitė) mit ihrem wohlklingenden Mezzo betört.
MQ, Halle E, Fr, So 19.00