Ein Coup für Journalismus und Theater
Achtung, die faden Leinwände auf der Bühne täuschen. Der Stücktitel "Die Redaktion" und die Kooperation mit dem Investigativmedium Dossier führen in die Irre. Zu sehen ist hier zwar Recherchetheater, aber nicht so, wie Sie sich das vorstellen. Die vier Schauspielerinnen und Schauspieler tragen keine Fakten vor, sie liefern Drama.
Autor und Regisseur Calle Fuhr hat ein Stück Zeitgeschichte dramatisiert, während sie noch stattfindet: Im Februar 2020 verkündet ein Neuer im Dossier-Team, Ashwien Sankholkar (Murali Perumal), sich die OMV genauer anschauen zu wollen, Österreichs teilstaatlichen Großkonzern im Öl-und Gasbusiness, CEO: Rainer Seele. Recherchen während des ersten Pandemiejahres bringen manches ans Licht und in Bewegung. Doch unterdessen ist auch Dossier selbst gefährdet. Inserate verkauft es nicht, die Abozahlen stagnieren. Dann klagt auch noch die OMV.
Fuhr nutzt gewitzt die Mittel des Theaters und schielt dabei auf erfolgreiche Hollywood-Aufdeckerfilme wie "Spotlight". Gut so: Dass es cheesy werden darf (vor allem Gerti Drassl als zur Frau umgeschriebener Dossier-Chef Flo Skrabal menschelt glaubhaft), macht die journalistische Arbeit greifbar und fesselnd. Zum Abschied aus dem Volkstheater in den Bezirken ist Fuhr ein echter Coup gelungen.