Fantasien aus dem Regenwald: Späte Würdigung einer Vertriebenen

FALTER:Woche, FALTER:Woche 19/2023 vom 10.05.2023

Auf einem Stoff schwimmen Seepferdchen um purpurfarbene Korallen, ein anderes Muster zeigt konzentrische Kreise auf indigoblauem Grund. Mit Textildesigns startete die Künstlerin Elisabeth Wild (1922-2020) in den 1940er-Jahren in Buenos Aires ihre kreative Laufbahn. Da hatte die junge Frau bereits die Flucht vor den Nazis 1938 aus Österreich hinter sich. Emigration und der Kampf um Selbstbehauptung prägten auch ihre späteren Lebensstationen Schweiz und Guatemala.

Zu Lebzeiten hat Wild nie in ihrer Geburtsstadt Wien ausgestellt. Aber sie konnte 98-jährig noch mit Mumok-Kuratorin Marianne Dobner die schöne Werkschau "Fantasiefabrik" planen. Ein echtes Highlight ist das Display von Architektin Johanna Meyer-Grohbruegge: Inmitten von Dschungel-Fototapeten steht ein Nachbau von Wilds Häuschen im Hochland Guatemalas; im Inneren hängen Zeichnungen, Stillleben und Aktgemälde sowie Erinnerungsstücke. Zum Interieur zählen auch Pappmöbel, die mit den gemusterten Stoffen geschmückt sind. In ihrer figurativen Malerei ließ sich Wild vom magischem Realismus und von der Exotik Südamerikas inspirieren, etwa von Pflanzen und Masken.

Diese frühen Arbeiten wiegen jedoch wenig gegen die 365 Collagen, die Wild in ihren letzten beiden Lebensjahrzehnten schuf. Durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt, schnitt sie täglich Schnipsel aus Hochglanzmagazinen für ihre "Fantasías" aus. Die farbstarken Ergebnisse erinnern an futuristische Bauten, wie man sie in den 1920ern oder 1960ern imaginierte. Mal erinnern sie an den russischen Konstruktivismus, mal an Verner Pantons Wohnträume. Aber auch Tempel, Totems und Kosmos poppen auf, stets mit Augenzwinkern.

Die Bilder hängen auf pastellfarbenen, oben abgerundeten Stellwänden, die Wilds Fantasien Leichtigkeit geben. Nicht verpassen: Die Schau zeigt auch den Dokumentarfilm "Vivian's Garden" von 2017, der ins Hochland von Guatemala führt. Dort lebte Wild seit 1996 mit ihrer Tochter Vivian Suter, der die Secession gerade eine ebenso gelungene Soloschau widmet.

Mumok, bis 7.1.2024

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