Zahltag

Peter Iwaniewicz fordert Zählpflicht für irdische Mitbewohner

Natur, FALTER 19/2023 vom 10.05.2023

Zeichnung: Georg Feierfeil

Der Tiergarten Schönbrunn macht jedes Jahr eine Inventur seiner tierischen Bewohner. Das überrascht vielleicht, wenn man an große Säugetiere wie Elefanten oder Tiger denkt, deren Anzahl - hoffentlich - nicht auf überraschende Weise mehr oder weniger wird.

Das erinnert mich an die eher ungeliebte Arbeit in Ferialjobs, bei der man in einem muffigen Kammerl die Menge aller Drucksorten erheben sollte. Im Unterschied zu den Papierstapeln bewegen sich aber Tiere bedeutend schneller.

Im Wiener Zoo gibt es quirlige Humboldtpinguine, die sich nicht wie Schafe in einer Reihe aufstellen lassen und ruhig abwarten, bis sie durchgezählt sind. Und bei Fischen, Quallen oder Insekten scheitern auch Menschen mit numerischer Spezialbegabung. Zusatzfrage: Sind deren Eier bzw. Laich auch mitzuzählen? Deswegen wird bei diesen Tiergruppen nur die festgelegte Sollzahl angegeben.

Schwieriger wird die Erhebung, wenn man sie auf ganz Österreich ausdehnt. Die Zahlen dazu sind unterschiedlich. Die Österreich Werbung spricht von 45.000 Tierarten, der WWF nennt 46.000 und das Umweltbundesamt weiß von 54.000 Arten. Wichtiger Zusatz: Vor den Zahlen wird immer ein "ungefähr" eingefügt. Das ist eigentlich peinlich, denn jedes ordentliche Unternehmen ist verpflichtet, jährlich in seiner Bilanz eine Bestandsaufnahme zu Art und Menge seiner Vermögensgegenstände auszuweisen. Offenbar gilt Artenvielfalt nicht als Vermögenswert der Republik.

Auch global wissen wir nur, dass wir nichts Genaues wissen. Die IUCN spricht von 2,13 Millionen verschiedenen Arten, aber die meisten Studien dazu schreiben, dass ca. 86 Prozent der Arten an Land und 91 Prozent der im Wasser lebenden Arten noch nicht entdeckt wurden. Robert May, ein australischer Physiker und Biologe, schrieb dazu: "Wenn eine außerirdische Version des Raumschiffs Enterprise die Erde besucht, was könnten die ersten Fragen der Besucher sein? Ich denke, es wäre: ,Wie viele verschiedene Lebensformen - Arten - hat Ihr Planet?' Peinlicherweise würde unsere beste Schätzung im Bereich von 5 bis 10 Millionen Tieren, Pflanzen und Pilzen liegen. Und da zählen wir Viren und Bakterien noch nicht mit. Also könnten wir nur Zahlen zwischen drei bis über 100 Millionen nennen."

Hoffentlich landen diese außerirdischen Besucher im Zoo Schönbrunn, dort gibt es genauere Daten. Das Ergebnis der Inventur für 2023: Im Zoo Schönbrunn gibt es 649 verschiedene Arten mit 7749 Individuen.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

"FALTER Arena - Journalismus live" - Baumann/Klenk/Niggemeier/Thür - 1. Oktober, Stadtsaal
Diskussion zum Thema "Lügenpresse? Die Vertrauenskrise des Journalismus"