Verbannte Musik wiederbelebt: Elisabeth Leonskaja spielt Philip Herschkowitz

FALTER:Woche, FALTER:Woche 19/2023 vom 10.05.2023

In der Lothringerstraße Ecke Lisztstraße, im selben Gebäude wie das Akademietheater, ist das Zentrum für verfolgte Musik Exilarte zuhause. Seit 2006 widmet sich das Institut unter der Leitung seines Gründers Gerold Gruber der Wiederentdeckung in der NS-Zeit verfolgter Komponistinnen und Komponisten. Im großen Saal des Palais Ehrbar steht nun am 16. Mai der Komponist und Musiktheoretiker Philip Herschkowitz im Mittelpunkt.

1906 im rumänischen Iaşi geboren, übersiedelte er mit 21 Jahren nach Wien, "um sich gute musikalische Manieren anzueignen". Er studierte bei Anton Webern und Alban Berg, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Doch dann kamen die Nationalsozialisten und Herschkowitz musste fliehen. Er landete zunächst in Czernowitz. Zwei Jahre später, als Hitler die Sowjetunion überfiel, war er erneut gezwungen, die Flucht zu ergreifen, dieses Mal nach Taschkent. Immer mit dabei: das Schreiben, welches Berg ihm 1939 mitgegeben hatte. "Filip Herzcovici, der nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren bei mir Komposition studierte, sei hiermit auf das wärmste empfohlen". Als Herschkowitz nach dem Krieg zurück nach Wien wollte, wurde ihm in Moskau die Ausreise verweigert. Also blieb er und musste sich mit Privatunterricht über Wasser halten, weil seine Musik - er komponierte atonal -auch unter Stalin verboten war. Zu seinen Schülern zählten u.a. Alfred Schnittke und Sofia Gubaidulina. Auch Elisabeth Leonskaja nahm bei Herschkowitz Unterricht in Formenanalyse.

In "Echo des Unerhörten", einer Konzertreihe des Exilarte-Zentrums, erinnert die große Pianistin zusammen mit Kolleginnen und Kollegen an das Leben und Werk des Musiktheoretikers und Komponisten. Neben Musik von Schönberg und Herschkowitz erklingen auch Stücke von Dimitri Smirnov und Elena Firsova, die beide zum engen Kreis der Privatschüler zählten und deren Kompositionen ab 1979 auf der berüchtigten "Schwarzen Liste" des Regimes standen. Philip Herschkowitz durfte übrigens erst kurz vor seinem Tod nach Wien ausreisen, wo er 1989 starb.

Ehrbar Saal, Di 19.00

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