Buch der Stunde

Der neue Schalko: Einmal alles mit Entfremdung, bitte!

SEBASTIAN FASTHUBER
Feuilleton, FALTER 20/23 vom 17.05.2023

David Schalko hat einen Roman über unsere Post-Covid-Gegenwart geschrieben: Die Figuren in "Was der Tag bringt" sind durchwegs Versehrte, stehen am Ende von Beziehungen, haben einander und zum Teil auch sich selbst aus den Augen verloren. Protagonist Felix toppt alles: Der Enddreißiger ist für seine Umgebung praktisch Luft, niemand interessiert sich für ihn.

Das liegt auch am beruflichen Scheitern des Wieners. Seine Firma für nachhaltiges Catering hat die Pandemiejahre nicht überstanden, wahrscheinlich war der Name Wastefood auch nicht ideal. Felix hat nun viel Zeit, aber keine Energie - er ist dauererschöpft. Als Ausweg vermietet er seine Wohnung acht Tage pro Monat über ein Plattform. Das hält ihn finanziell über Wasser. Nur muss er während dieser Zeit irgendwo unterkommen.

Diese Ausgangssituation gibt dem Autor und Regisseur die Gelegenheit, in diverse Milieus reinzuleuchten. Wir treffen einen Mann, der in Felix einen neuen Menschen sieht, befreit von den Fesseln der Lohnarbeit; eine Ex-Freundin, die ihn durch eine bessere Version seiner selbst ersetzt hat; einen reisenden Kolumnisten mit unbegrenzt belastbarer Kreditkarte, den Vater, der sich nach dem frühen Tod der Mutter von Felix zurückgezogen hat, und die superreligiöse Stiefmutter.

Schalko hat ein Gespür für die Verwerfungen der Gegenwart. Doch leider gleitet fast jedes Gespräch, jede Begegnung schnell in Pseudotiefsinn ab. Besonders, wenn der auktoriale Erzähler Fragen formuliert: "Gab es die bedingungslose Liebe? Konnte man ohne die anderen Menschen überhaupt Mensch sein?"

Der Roman ist in einem atemlosen Ton verfasst und springt von einer Frage zur nächsten, ohne sich irgendwo aufzuhalten. Die Figuren bleiben blass, eine echte Erzählung ergibt die Abfolge von Szenen nicht. Obendrein fehlt dem Ganzen Schalkos Humor. Als hätte er eine AI beauftragt: "Einmal alles mit Entfremdung, bitte!"


David Schalko: Was der Tag bringt. Kiepenheuer & Witsch, 304 S., € 24,70

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