Die Spieloper ist tot, es lebe die Spieloper! Nicolais "Lustige Weiber" erobern Wien
Mit der deutschen Spieloper verhält es sich wie mit der Operette: Die einen finden sie altmodisch und bieder, die anderen sehen darin ein Kulturgut, das es unbedingt zu erhalten gilt. Was also tun mit Komponisten wie Lortzing und Flotow, Weber und Nicolai? Die meisten Opernhäuser haben sie einfach aus den Spielplänen verbannt.
In Wien hingegen scheint man an diesem Genre neuerdings wieder Gefallen zu finden. Nach Webers "Freischütz" am Theater an der Wien zeigt die Volksoper nun Otto Nicolais "Die lustigen Weiber von Windsor". Die Spieloper basiert auf Shakespeares gleichnamiger Komödie und erzählt die Geschichte von Frau Fluth und Frau Reich, die sich gegen Falstaffs Avancen wehren und beschließen, ihm eine Lektion zu erteilen. 1849 hatte das Stück in Berlin Premiere und verschwand nach einer kurzen Erfolgswelle von den Spielplänen.
Regisseurin Nina Spijkers verlegt die Handlung nach Wien ins Jahr 1918. Damals wurde der Adel abgeschafft und Frauen durften erstmals wählen. Auch an der Volksoper haben die "Weiber" das Sagen. Es geht um Selbstbestimmung und Emanzipation, Wahlfreiheit und weiblichen Widerstand.
Das Ganze hat so viel Drive, Tempo und Humor, dass die drei Stunden wie im Flug vergehen. Hier stimmt einfach alles -von der flotten Drehbühne von Rae Smith über die mit fantasievollen Details ausgestatteten Kostüme von Jorine van Beek bis zu Spijkers Gespür für Witz und Timing.
Nicolais virtuose Melange aus deutscher Romantik und raffinierter Italianità gestaltet das Ensemble mit überschäumender Spielfreude. Anett Fritschs Koloraturen und Stephanie Maitlands geschmeidiger Alt sind eine Pracht. Und Martin Winkler spielt den Bier saufenden, rülpsenden Schwerenöter Falstaff so brillant komisch, dass es eine Gaudi ist. Dazu entlocken Ben Glassberg und das Orchester der Partitur jede Menge Esprit und Raffinesse.
Glücklicherweise gibt es zum Schluss doch ein Happy End: Beim Mondaufgang schweben im Wald von Windsor Magic Mushrooms von der Decke, die Harfe spielt und die Liebe siegt.
Volksoper, Fr, Do 19.00