Achtung, Natur!
Peter Iwaniewicz ist auf Wiener Gstätten sozialisiert worden

Zeichnung: Georg Feierfeil
Nach der nächsten Wegbiegung können Sie ausrasten." Das könnte bei einer Wanderung mit norddeutschen Gästen falsch verstanden werden, erzählt eine Naturführerin. Ein Teilnehmer hielt dies nämlich nicht für den Hinweis, sich auszuruhen, sondern für eine Aufforderung, die Beherrschung zu verlieren.
Die Nachfrage nach Menschen, die andere kompetent durch die Natur führen können, steigt zunehmend. Ebenso wie die Herausforderungen an diese "Guides" genannten Kräfte. Die Bezeichnung "Fremdenführer" wurde bereits durch "Austria Guides" ersetzt, da der eine Wortteil ein seltsames Verständnis von Gästen signalisiert und der zweite Teil unangenehme Assoziationen hervorruft. Die Fülle an Diversifizierung der Ausbildungen in dieser überschaubaren Berufssparte ist jedenfalls beeindruckend: Es gibt National- und Naturparkranger, Kräuter-, Wildnis- und Waldpädagogen, Wander-, Canyoning- und Landschaftsführer, Naturvermittler und nicht zuletzt auch einen Zertifikatslehrgang zum Waldbaden. Da wir in Österreich sind, braucht es bei entgeltlichen Führungen in der Natur aufgrund eigener landesgesetzlicher Regelungen in fünf Bundesländern zusätzliche Ausbildungen, um die Berechtigung dafür zu erhalten.
Wodurch ist bloß dieser Qualifizierungsbedarf entstanden? Macht man sich obrigkeitsseitig Sorgen, das unbedarfte Kinder- und Narrenhände die Natur beschädigen? Will man durch forcierte Kenntnis heimischer Tier- und Pflanzenarten dem Biodiversitätsverlust entgegenwirken? Oder wagen sich Menschen zunehmend nicht unbegleitet in die ihnen fremden Naturräume? Die Möglichkeiten von Kindern, ohne Begleitung Natur zu erkunden, auf Bäume zu klettern oder in einer Wiese - nicht auf einem Rasen - zu liegen, wurden innerhalb von drei bis vier Generationen massiv eingeschränkt.
Ein britischer Biologe aus Sheffield beschrieb diese Veränderung: Sein Urgroßvater konnte als Achtjähriger noch zehn Kilometer bis zu einem Teich angeln gehen. Dessen Schwiegersohn durfte im selben Alter durch den anderthalb Kilometer entfernten Wald streifen. Der Tochter des Biologen war es in den 1970er-Jahren nur mehr erlaubt, mit dem Rad durch die Nachbarschaft zum Schwimmbad zu fahren. Sein Enkel darf jetzt allein nur mehr bis ans Ende der Straße gehen und wird mit dem Auto zur Schule gefahren.
Damit fehlen diesen Generationen ganz wesentliche emotionale, haptische und kognitive Erfahrungen. Wen wundert es, wenn dann Erwachsene beim Bergwandern "ausrasten".