Zeit in Nahaufnahme: Jacques Becker und Claude Sautet im Filmmuseum

Ensemblefilm der Entfremdung: „Le Trou – Das Loch“ von Jacques Becker, 1960 (Foto: Österreichisches Filmmuseum)
Es gibt Verwandtschaftsverhältnisse, die so offensichtlich sind, dass sie partout nicht auffallen. Wie sonst lässt es sich erklären, dass mehr als 20 Jahre seit dem Tod des Jüngeren und mehr als 60 seit dem des Älteren vergehen mussten, bis jemand auf die Idee kam, ihnen eine gemeinsame Retrospektive zu widmen? Das Österreichische Filmmuseum veranstaltet ein mithin überfälliges, hochwillkommenes Gipfeltreffen zweier Filmemacher, die eigensinnig und souverän definierten, was französisches Kino jenseits der Nouvelle Vague sein kann.
Jacques Becker (1906-1960) und Claude Sautet (1924-2000) selbst hätte diese Verspätung wohl nicht gestört, denn sie nahmen sich Zeit für ihre Filme: zwei gründliche Zauderer in einem Geschäft, dessen Schnelllebigkeit kein Zögern erlaubt. Aber sie warteten geduldig ab, bis ihre Drehbücher ausgefeilt und die richtigen Schauspieler frei waren. Die Zeit hat freilich auch ein eigenes Maß in ihren Filmen. Bei Becker verstreicht sie niemals so, wie es die Konventionen vorschreiben. Sein Krimi "Wenn es Nacht wird in Paris" (1954) beginnt erst nach dem letzten Coup, und der nächtliche Imbiss seiner alternden Gangster dauert länger als sämtliche Schießereien zusammengenommen.