Das Brauhaus der Moderne

Die mondänen Villen der Industriellenfamilie Mautner Markhof in der Landstraßer Hauptstraße waren ein Zentrum der Secessionszeit. Jetzt ist eine davon vorübergehend öffentlich zugänglich. Eine Zeitreise in eine Wiener Idylle mit Rissen

Matthias Dusini
FEUILLETON, FALTER 21/23 vom 23.05.2023

Früher Salon, derzeit Galerie – Die Villa Mautner-Jäger in der Landstraße 140/142 (Foto: Andreas Tischler)

Ach ja, die Sitzordnung. „Darf ich kurz?“ Die Kunstmanagerin Ema Kaiser, Bomberjacke, Getränkedose in der Hand, eilt vom Garten zurück in die Villa, wo die Vorbereitungen für ein Dinner laufen. Helferinnen in weißen Blusen tragen Tische in den Salon, Visagistinnen packen ihre Pinsel aus. Die Holzböden haben Löcher, Putz bröckelt von den Wänden. Für einen Abend wird die Villa Mautner-Jäger am weniger belebten Ende der Wiener Landstraßer Hauptstraße zur schäbig-schicken Bühne des Modelabels Chanel, das sich für ein secret dinner eingemietet hat.

Jahrelang stand die noble Villa Mautner-Jäger leer, Anrainer protestierten gegen den Verfall der Fassade. Nun will ein Immobilienunternehmen das Haus renovieren. Bis die Arbeiten anlaufen, finden von Kaisers Firma Node Contemporary organisierte, bedingt öffentlich zugängliche Events statt. Aktuell sind großformatige Frauenporträts der Malerin Michaela Schwarz-Weismann zu sehen. „Der Zuspruch ist enorm“, freut sich Kaiser. Gehaltvoll und bunt soll das Programm sein: „All genders and races are welcome!“

Heute wie damals gilt: Die Villa ist ein Prachtstück und gleichzeitig Zeitzeugin für ein Labor des Aufbruchs, als Wirtschaft, Kultur und Emanzipation zusammenfanden. Das stolze Gebäude symbolisiert die Hochphase der Wiener Moderne und gleichzeitig auch ihren Niedergang. Das Erbe bahnbrechender Künstler wie Kolo Moser oder Feministinnen der ersten Stunde wie Marianne Hainisch verschwand in der Versenkung.

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  2676 Wörter       13 Minuten

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