Im Schatten des Krieges
Diese Woche trifft sich die europäische politische Elite in der Republik Moldau. Das Land strebt im Schatten der russischen Aggression gen Westen. Die Union sollte klare Signale senden, schreibt Kristof Bender in seinem Gastkommentar.

Eine Graffitiwand in der Hauptstadt der Republik Moldau, Chişinău | (Foto: Kristof Bender)
Am 1. Juni trifft sich die europäische politische Elite von Scholz bis Macron in der Republik Moldau. 30 Jahre lang dümpelte dieses kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine vor sich hin: arm, korrupt, hin- und hergerissen zwischen Ost und West. Seit zwei Jahren verfolgt eine neue politische Führung mit solider Mehrheit ein klares Ziel: den Anschluss an Europa. Doch dann kam der Krieg ins Nachbarland.
„Der Test war lange vorbereitet worden,“ erklärt Victor Parlicov, Energieminister der Republik Moldau. Es ist ein später Nachmittag Mitte April. Wir sitzen in seinem Büro in der Hauptstadt Chişinău im „Regierungshaus”, einem klobigen sowjetischen Bau der 1960er-Jahre. Der 44-Jährige erzählt ohne Umschweife.
Sein Land sollte zusammen mit der Ukraine für drei Tage vom russischen Stromnetz getrennt werden – ein Testlauf in einem jahrelangen Prozess, der schlussendlich dazu führen sollte, die beiden Länder vom russischen (ehemals sowjetischen) Netz zu trennen, ins europäische Netz ENTSO-E zu integrieren und so von Russland unabhängig zu machen. „Um genau ein Uhr in der Nacht legten wir dann den Schalter um. Wir waren probehalber völlig vom russischen Stromnetz abgekappt“, fährt der Minister fort und hält kurz inne, um die Pointe besser zur Geltung kommen zu lassen: „Es war der 24. Februar 2022.“ Wenige Stunden später rollten die ersten russischen Panzer in die Ukraine. Die ersten Geschütze schlugen ein. Der blutigste Krieg Europas seit dem 2. Weltkrieg hatte begonnen.