Blattkritik

Heldin oder Agentin des Regimes? Die Zeit porträtiert eine prominente russische Journalistin

Medien, FALTER 22/2023 vom 31.05.2023

Das Pappschild, das Video -alles könne ja vielleicht eine geniale Idee aus dem Kreis Putins gewesen sein. Die Theorie geht so: Der Kreml habe eine seiner Getreuen als Systemkritikerin auftreten lassen und ihr so den Weg geebnet, um im Oppositionellen-Milieu Fuß zu fassen."

Ist die russische TV-Journalistin Marina Owsjannikowa, zu Beginn der Invasion Wladimir Putins in die Ukraine weltberühmt geworden, weil sie mit einem Plakat eine russische Nachrichtensendung crashte, eine russische Doppelagentin?

Die Zeit geht in ihrem Dossier -dem Longread des Blattes -diesem Verdacht nach. Dabei entsteht ein dichtes Porträt der Journalistin und der widersprüchlichen Welt der zersplitterten russischen Dissidenz, in der sie sich zu bewegen versucht.

Die Autorin Tanja Stelzer hält Distanz zu ihrer Protagonistin und kommt ihr gleichzeitig sehr nahe. Owsjannikowa, das bleibt am Ende als Fazit, lebt in einem Niemandsland, auch wenn sie derzeit in Frankreich versucht, mit ihrer Tochter und einer Freundin Fuß zu fassen. Das Misstrauen ihr gegenüber ist zu groß.

"Wie kann ein Geläuterter beweisen, dass er geläutert ist? Und wie lange muss er geläutert sein, bis die Schuld, mitgetan zu haben, getilgt ist?", fragt Stelzer am Ende ihrer lesenswerten Reportage. Aus der Heldin ist eine tragische Figur geworden.

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