Was Babler kann – und was er muss

Fünf Thesen über den neuen SPÖ-Chef und die Herausforderungen, vor denen er steht

vom 06.06.2023

Am Ende doch der Sieger: Andreas Babler (links) mit Hans Peter Doskozil. (Foto: Heribert Corn)

Vermutlich hatte sich Genosse Babler seinen ersten Auftritt als SPÖ-Chef ganz anders vorgestellt: Mit Jubel und Applaus, mit einer fulminanten Siegesrede, in der er die Einigung der Partei beschwört. Andi Babler, der Mann, der es innerhalb weniger Wochen vom Bürgermeister von Traiskirchen zum SPÖ-Chef geschafft hat – er war der Sieger am Parteitag vom vergangenen Samstag. Nur wusste das damals noch niemand.

Keiner in dieser Republik konnte 316 und 279 zusammenzählen, das waren die Stimmen, die laut SPÖ für die beiden Kandidaten abgegeben wurden und die Zahl 596 ergeben sollten. Eine ungerade und eine gerade Zahl, das hätte allen in diesem Land auffallen müssen, können zusammen keine gerade ergeben. Nur der ZiB2-Journalist Martin Thür rechnete nach, fragte nach – und dann war das Chaos perfekt.

Und so kam alles ganz anders für Andreas Babler. Natürlich kann man jetzt über die SPÖ höhnen. Ein paar Tage oder Woche müssen sich das „Teile des Apparats“, wie Babler die Chaoten in der Wahlkommission nennt, gefallen lassen. Das ist das Erbe der abgewählten Parteiführung, nicht die Schuld Bablers. Das wird er klarstellen müssen. Aber was kommt dann? Was ist von ihm nun zu erwarten? Fünf Thesen dazu gibt’s gleich unten.

These 1: Babler soll man nicht unterschätzen. Er kann seine Partei mobilisieren. Aus der Position des absoluten Außenseiters schaffte es der Traiskirchner Bürgermeister an die Spitze einer Staatspartei gegen den Willen von ehemaligen Parteichefs und trotz einiger dümmlicher Fehler.

These 2: Babler kann nicht nur in der Partei mobilisieren, sondern auch über die eigene Klientel hinaus. Das zeigen seine 70-Prozent-Wahlergebnisse in Traiskirchen zeigen. Offenbar wählen ihn auch Leute aus anderen politischen Lagern.

These 3: Babler muss sich von altlinken Welt- und Feindbildern lösen. Seine Einlassungen zur Europäischen Union sind nicht nur historischer Unsinn, sie würden ihm, wenn er sie als SPÖ-Chef wiederholt, jede Reputation kosten – der Mann will ja Bundeskanzler werden. Dass er sich nun vom Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch beraten lässt und seinen EU-Quatsch bedauert hat, spricht für ihn. Er sollte sich allerdings schnell jener Stamokapler entledigen, die ihn seit Jugendtagen ideologisch begleiteten und in den USA und der Nato das einzig Böse sehen.

These 4: Babler muss noch viel mehr in der Gegenwart ankommen. Er spricht zu viel über Marxismus und vielleicht auch ein bisschen zu viel über Bruno Kreiskys Siebzigerjahre. Der Retro-Charme mag einige SPÖ-Ultras begeistern, aber die Welt hat sich in den letzten 50 Jahren verändert. Nicht hungernde Kinder und nach Osteuropa verlegte Semperitler sind die Herausforderungen der österreichischen Sozialdemokratie – sondern offene Grenzen, Putins Angriff auf das liberale Europa, der gemeinsame europäische Markt und ein gemeinsamer Sozialstaat.

These 5: Babler wird sein Verhältnis zur ÖVP klären müssen. Es ist nach heutigem Stand sehr wahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit links der Mitte nicht ausgeht. Babler wird wohl eher im grünen Lager wildern, anders als Doskozil, der bei seiner Siegesrede die FPÖ-Wähler adressierte. Wird der Traiskirchner im Ernstfall ein Großkoalitionär? Oder überlässt er dann das Land einer blau-schwarzen Koalition unter Herbert Kickl? Babler könnte als Kanzler oder Vizekanzler einer langweiligen rot-schwarzen Regierung enden. Darauf muss er jene vorbereiten, die von ihm die sozialistische Revolution erwarten.

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