Amour fou: Wo es zwischen Kunst und Handwerk kein Unten oder Oben gibt

FALTER:Woche, FALTER:Woche 23/2023 vom 07.06.2023

Die aktuelle Gruppenschau im Heiligenkreuzerhof heißt "Pride and Prejudice", aber sie hat nichts mit dem Wiener Pride Month zu tun, sondern mit dem gleichnamigen Roman von 1813. Während die britische Schriftstellerin Jane Austen darin gesellschaftliche Vorurteile beleuchtet, spielen die Kuratorinnen Ulrike Johannsen und Sascha Zaitseva auf das Gefälle an, das heute noch oft das Verhältnis zwischen bildender und angewandter Kunst prägt.

So wie es in den Büchern Austens stets um Liebessachen und Heiratsgeschichten geht, sind auch "freie" Kunst und handwerkliche Techniken innig miteinander verwoben. Das führt die feine Selektion an Keramiken, Glasskulpturen, Stoff-und Papierobjekten vor, die im Barockambiente der ehemaligen Stiftsräume bestens zur Geltung kommen.

Ein Statement zu Machismo in der Kunstgeschichte liefert Monica Bonvicinis Skulptur "Fleurs du Mal". Sie besteht aus einem Flaschentrockner, wie ihn einst Kunstguru Marcel Duchamp als sogenanntes "Readymade" präsentierte. Darauf hängen Penisse aus rosa Glas, mundgeblasen in Murano. Nackt steht daneben Paweł Althamers Holzstatue "Selbstporträt" aus der EVN-Sammlung, mit der sich der polnische Künstler 1991 als ärmliche Schnitzfigur verewigt hat.

Eines der Kabinette der Schau spielt wohl auf die Wunderkammern früherer Zeiten an, in denen Kurioses aus Kunst und Natur gesammelt wurde. Ein gravierter Knochen von Ingeborg Strobl entpuppt sich dort als perfektes Fake aus Keramik, während der mit Teer übergossene Kopf von US-Künstler Theaster Gates Rassismus thematisiert.

An den ausgewählten Arbeiten fesselt ihre perfekte Machart, die immer wieder mit Oberflächen täuscht. So etwa die großen Skulpturen von Heti Prack, deren Form Fitnessgeräten ähnelt. Ihre marmorne Oberfläche gibt bei genauerer Betrachtung Bilder von Männern preis, also doch auch ein queerer Vibe. "Art & Craft -A Love Story" lautet der Untertitel der Schau. Leicht könnte man sich in eine der vielen hintersinnigen Arbeiten hier verlieben.

Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof, bis 29.7.

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