Zum Tod Silvio Berlusconis, Inbegriff der Postdemokratie
Der Kommentar des Herausgebers

Silvio Berlusconi, 29. 9. 1936 – 12. 6. 2023 (Foto: Alberto Pizzoli/AFP)
Das britische Magazin Economist brachte es in einer Titelzeile unübertroffen trocken - Pardon my French - auf den Punkt: "Der Mann, der ein ganzes Land fickte" ("The man who screwed an entire Country"). Auf Twitter wurde man dazu belehrt, es handle sich um subtilen Doppelsinn. In der Tat, Bunga Bunga und die Zerstörung der Demokratie halten sich in der öffentlichen Wahrnehmung des Mannes die Waagschale; auch hierzulande stolpern verhaltensauffällige Verleger eher über ihre erotischen Abirrungen als über ihr korruptives Wesen.
Dass beides in der Öffentlichkeit als gleichwertig und gleich tolerabel erscheint (Korruption neuerdings einen Hauch weniger tolerabel als sexuelle Übergriffe), verdanken wir Silvio Berlusconi. Der Unternehmer, der es bis an die Spitze des italienischen Staates brachte (nur zum Präsidenten brachte er es nicht), bewirkte einen Wandel der öffentlichen Wahrnehmung in diesen Dingen. Man könnte auch sagen, er betäubte das öffentliche Bewusstsein, das jetzt zwar lauter schreit, aber dafür keinen Schmerz mehr spürt.