Allerlei Neues aus dem heimischen Pop-Untergrund

Neue Platten, FALTER 25/2023 vom 21.06.2023

Und plötzlich waren die Cramps vergangenen Herbst in aller Munde, diese glamouröseste und prächtigste aller Garagenrockbands. War ein Popwunder geschehen? Nein, Netflix war geschehen, einmal mehr. Felix Schnabl freilich hat die Cramps wohl schon lange vor der Serie "Wednesday" inhaliert.

Im Trio Salamirecorder & The Hi-Fi Phonos führt der 20-jährige Wiener das Werk der 1976 gegründeten und 2009 dahingeschiedenen US-Band würdig fort, abgeschmeckt mit einer Extraportion Surf: Irrsinn und Stil, Haudrauf und Melodie, alles lässig vereint. Das angemessen ungestüme Debüt "Goods for Conversation" (Bachelor/Siluh) ist ein Prachtexemplar von einer Sommerplatte - nicht unbedingt für Netflix-Couchkartoffeln, aber für alle, die dem mehr oder weniger gepflegten Zuckaus etwas abgewinnen können.

Schnabl hat seine Finger auch beim Quartett Laundromat Chicks im Spiel, dem wiederum der 19-jährige Indiepop-Wunderwuzzi Tobias Hammermüller vorsteht. Die Zeichen der mit Liebe zum Detail und zugleich doch angenehm firlefanzfrei angerichteten sieben Songs von "Lightning Trails"(Siluh) stehen auf Innehalten und sanfte Schwermut, ohne deshalb freilich gleich in introvertierte Leisetreterei zu verfallen. Musik fürs leicht sonnenstichige Sinnieren und Seelebaumelnlassen also.

Wie ihre berühmten britischen Kollegen Gorillaz treten Bon Jour aus Wien 3D-animiert als Comicband in Erscheinung. Ihr Tonträgereinstand ist äußerst stilvoll ausgefallen: "And So We Met Again" (Bon Jour/Sony) steckt als zuckerlsüßes hellgrünes Vinyl in einer transparenten Hülle; die sechs Songs darauf verbinden ein bisschen Eighties-Kommerz-Soul im Gesang mit zeitgenössischem Hipster-Designerpop. Hardcore-Cramps-Fans wenden sich da angeekelt ab, wir aber sagen: hübsch, hübsch.

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