„Wer ersetzt mir jetzt den Schaden?“
Der Investigativjournalist Franz Miklautz wurde als Krimineller verfolgt, sein Handy und seine Daten beschlagnahmt. Nun ist das Verfahren eingestellt. Ein Gespräch über den Anschlag auf seine Pressefreiheit, die abenteuerlichen Missstände im Klagenfurter Rathaus und die Einschüchterungen der alten Jörg-Haider-Seilschaft.

Investigativjournalist Franz Miklautz über die Gagenkaiser im Klagenfurter Rathaus: "Ich habe die Stalltür aufgemacht, um hineinzuschauen, ob es stinkt." (© karlheinzfessl.com)
Franz Miklautz, 52, recherchiert eigentlich nur über die Sümpfe seiner Heimatstadt Klagenfurt. Aber die letzten Tage hat er bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der freie Journalist bekam nämlich Besuch von der Polizei, die nahm ihm sein Handy, und seinen Computer ab.
Der Grund: Miklautz wurde von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt beschuldigt, ein „Beitragstäter“ zu sein, weil er ihm zugespielte Akten aus der Stadtverwaltung veröffentlichte. Reporter ohne Grenzen, Amnesty International, der Presseclub Concordia, die Journalistengewerkschaft und Kollegen aus dem In- und Ausland haben drei Tage lang protestiert. Gestern Nachmittag dann kam die Wendung in dem Fall, die Oberstaatsanwaltschaft Graz und Justizministerin Alma Zadić stellten das Verfahren per Weisung ein.
Falter: Herr Miklautz, nur wenige Minuten vor Beginn unseres Gesprächs wurde das Verfahren gegen sie eingestellt. Sind Sie erleichtert oder noch geschockt?
Franz Miklautz: Ich bin wirklich erleichtert, vor allem auch dankbar für all die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen. Aber ich habe jetzt natürlich hohe Anwaltskosten zu bezahlen. Die ersetzt mir niemand. Ich bin freier Journalist und habe keine Redaktion, die meine Kosten trägt. Aber immerhin bin ich kein Tatverdächtiger mehr. Meine Geräte kann ich ab morgen wieder haben.
Beginnen wir ganz am Anfang. Wie haben Sie die letzten drei Tage eigentlich gearbeitet?
Miklautz: Ich habe meine Telefonate heute über einen Münz-Fernsprecher getätigt und dafür das Sparschwein meiner Tochter geplündert, weil ich keine Münzen zu Hause hatte. Ich wusste ja nicht, ob mich irgendwer abhört. Jetzt telefonieren wir übrigens über ein Billighandy. Meine Arbeitsgeräte liegen immer noch versiegelt am Landesgericht.
Wie erlebten Sie die Sicherstellung?
Miklautz: Am Montag waren etwa vier Beamte bei mir in der Wohnung. Es waren sehr freundliche Herren und sie sagten zu mir: „Sie wissen eh, wieso wir da sind“. Natürlich habe ich das geahnt. Sie haben Platz genommen und waren nach einer Dreiviertelstunde wieder weg. Dann war allerdings auch mein Handy weg und mein Laptop.
Sie konnten also nicht die Herausgabe verweigern – wie es etwa Bundeskanzler Karl Nehammer gegenüber der WKStA getan hat, als diese Mails aus dem Kanzleramt beschlagnahmen wollte?
Miklautz: Richtig. Und ich habe auch keinen Kinderwagen für den Laptop, weil meine Tochter schon 18 Jahre alt ist. Ich hatte keine Wahl. Die Beamten haben nur gesagt, entweder werden meine Geräte gespiegelt oder versiegelt. Und ich habe mich dafür entschieden, sie versiegeln zu lassen. Und nun liegen sie am Landesgericht Klagenfurt. Und wenn das Verfahren nicht eingestellt worden wäre, dann hätte der Richter entscheiden müssen, ob die Geräte geöffnet werden oder nicht. Ich bin mir sicher, wenn die Kollegen diesen Tsunami an Solidarität nicht ausgeübt hätten, wäre das Verfahren einfach weiter gegangen.
Kommen wir zum Grund dieses Verfahrens: Sie sind ein renommierter, anerkannter Journalist in Kärnten und wurden angezeigt. Von wem?
Miklautz: Von der Landeshauptstadt Klagenfurt. Verantwortlich für das Verfahren gegen mich ist der ehemalige Freiheitliche Martin Strutz, aber auch Klagenfurts Bürgermeister Christian Scheider, der war früher bei der FPÖ und ist nun beim Team Kärnten. Sie haben mich bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, weil ich wahrheitsgemäß über Skandale in Klagenfurt berichtet habe. Sie behaupteten, durch die Veröffentlichung hätte ich einen Beitrag zum Bruch des Amtsgeheimnisses geleistet.
Was hat die Herren so irritiert?
Miklautz: Es gibt mehrere Artikel. Vor allem meine Enthüllungen über den Klagenfurter Magistratsdirektor Peter Jost im Kärntner Monat haben Schlagzeilen gemacht. Jost ist ein sehr mächtiger Mann. Und ich habe herausgefunden, dass er ein sehr dickes Gehalt bezogen hat, das höher war als das Einkommen des Kärntner Landeshauptmanns.
Wie kann das sein?
Miklautz Jost hatte als Magistratsdirektor über 800 Überstunden gesammelt und dafür 66.000 Euro bekommen – und zwar zusätzlich zu seinem Gehalt von 200.000 Euro. Das bedeutet, dass der Magistratsdirektor im Jahr 2022 rund 270.000 Euro brutto verdient hat, plus ein paar Zerquetschte. Der Kärntner Landeshauptmann, um einen Vergleich zu ziehen, bekam im gleichen Zeitraum nur 215.000 Euro.
Das heißt, der oberste Beamte verdient mehr als der oberste Repräsentant Kärntens?
Miklautz: Ja, und er sitzt dann auch noch als Aufsichtsrat in den Klagenfurter Stadtwerken. Er war Geschäftsführer einer stadteigenen Firma, die das Klagenfurter Stadion betreut. Und er hatte noch viele andere Führungspositionen in stadteigenen Beteiligungen. Ich werfe ihm hier keine unlautere Beschäftigung vor, will aber nur aufzeigen, wie viele Jobs er gleichzeitig gemacht hat. Auffällig ist, dass er zwar 200.000 Euro Jahresgehalt verdient, dieser Vertrag aber kein „all-in“-Vertrag war.
Und wer hat diese Überstunden genehmigt?
Miklautz: Der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider. Der Vertreter der Stadt Klagenfurt, die mich als Verdächtigen anzeigen hat lassen.
Der zweite, der sie angezeigt hat, war Martin Strutz, ein ehemaliger FPÖ-Politiker.
Miklautz: Er ist jetzt Angestellter beim Magistrat, als „Projektkoordinator“. Er hatte 370 Überstunden. Und da gab es noch was: Es wurden mir Verträge zugespielt, die er mit einer Wiener Baufirma hatte. Diese Verträge haben ihm Provisionen garantiert, sollte er der Wiener Baufirma Aufträge zukommen lassen. Das hätte er als Privatier machen können, ist ja kein Problem. Aber diese Verträge hätten auch einen Interessenkonflikt mit seiner Stellung als Projektkoordinator bei der Stadt Klagenfurt darstellen können. Und tatsächlich gabs eine Mail, wonach er einen Kontakt mit einem Stadtvertreter anbieten könne. Und da kann man jetzt nur mutmaßen, was dort besprochen worden wäre. Möglicherweise Bauaufträge für diese Wiener Baufirma?
Strutz ist also für die Stadt Projektkoordinator und hat zugleich einen Provisionsvertrag mit einer Baufirma?
Miklautz: So ist es. Martin Strutz hat das allerdings stets abgestritten. Er hat gesagt, es gebe einen anderen Martin Strutz. Aber es war der Martin Strutz des Magistrats Klagenfurt, der ehemalige FPÖ Politiker. Provisionen sind angeblich keine geflossen. Die Stadt Klagenfurt erteilte ihm aber aufgrund meines Berichtes eine schriftliche Verwarnung, weil er seine Nebentätigkeiten nicht gemeldet hatte. Er verlor auch für ein paar Monate seine Projektkoordinationsstelle. Es wurde halt für ein paar Tage das Türschild abmontiert.
Mit der Hilfe von zwei Maulwürfen haben sie also ein Gagen- und Nebengschäftl-Paradies sichtbar gemacht und wurden dafür verfolgt?
Miklautz: So ist es. Ich bleibe nun auf den Kosten sitzen. Übrigens: Ich werde zu meinen Informanten keinerlei Angaben machen. Was übrigens auch auffällig ist: mit Ausnahme des Magistratsdirektors Peter Jost sind alle Beteiligten gute Freunde des ehemaligen Landeshauptmanns Jörg Haider. Auch sein ehemaliger Sprecher Karlheinz Petritz arbeitet im Rathaus.
Alte Schlachtrösser sozusagen…
Miklautz: Und ich habe die Stalltür aufgemacht, um hineinzuschauen, ob es stinkt.
Man könnte das jetzt natürlich als eine Kärntner Provinzposse abtun …
Miklautz: Das wäre eine Verharmlosung. Ich glaube, dass hinter dieser ganzen Aktion eine treibende Kraft steckt. Ich möchte jetzt gar nicht unterstellen, dass die Staatsanwältinnen hier irgendwelche finsteren Motive verfolgt haben, aber offensichtlich ist ihnen etwas eingeredet worden, nämlich dass ein Journalist bedrängt werden muss. Und weil ich als Zeuge das Redaktionsgeheimnis habe, hat man mich – schwupps – zum Beschuldigten erklärt, aufgrund rechtlich haltloser Vorwürfe.
Wer war die treibende Kraft?
Miklautz: Meiner Meinung nach steckt der Klagenfurter Magistratsdirektor dahinter, der Gagenkaiser. Der ist ein mächtiger, gefürchteter Mann, der im Herbst in Pension gehen sollte. Aber sein Vertrag wurde vom Bürgermeister einfach um zwei Jahre verlängert. Und das ist wohl die größte kommunale Posse in den letzten fünf Jahren in Klagenfurt. Sie geht so: Der Klagenfurter Bürgermeister Christian Scheider hat Ende Dezember gesagt, dass der Magistratsdirektor Jost zu ihm gekommen sei und ihm gesagt habe, er höre morgen auf. Abrupt. „Morgen bin ich weg“. Der Bürgermeister Scheider hat Jost dann mit einem Notfallparagraphen zwei Jahre lang über das mögliche Pensionsalter von 65 Jahren verlängert, damit die Stadtverwaltung nicht zusammenbricht, wie er sagte. Das wird mindestens 400.000 Euro brutto kosten – ohne Überstunden. Die Gemeindeaufsicht ist nun dazwischengefahren. Und jetzt liegt diese ganze Sache beim Landesverwaltungsgericht und man wartet auf eine Entscheidung.
Herr Jost könnte natürlich sagen: Ich habe einen aufrechten Vertrag, ist mir wurscht, ob der Bürgermeister rechtlich korrekt gehandelt hat. Ich lass mir den Vertrag auszahlen.
Miklautz: Ich nehme an, dass man das dann über die Versicherung der Anwaltskanzlei der Stadt regeln wird, die den Bürgermeister beraten hat.
Herr Miklautz, wenn Sie jetzt so durch Klagenfurt spazieren, werden Sie bejubelt oder beschimpft?
Miklautz: Vorhin ist jemand vor meinem Haus vorbeigegangen und sagte, ich solle das Fenster aufmachen. Er hat dann hineingerufen: „Weltklasse. Weitermachen!“
Das Gespräch erscheint heute auch im Podcast „Die Dunkelkammer” von Investigativ-Journalist Michael Nikbakhsh