Mit Nähnadel und Schussloch
Eine fabelhafte Retrospektive in der Albertina würdigt Valie Export und breitet ihre vielen Facetten aus

Valie Export bei der Aktion „Asemie“, bei der sie ihre mit Wachs übergossenen Hände freischneidet (Foto: Bildrecht; Courtesy Valie Export/Galerie Ropac)
Eine Frau mit Lockenkopf blickt erschreckt in die Kamera. Danach liebkost die Darstellerin des Schwarzweißfilms eine antike Frauenbüste. Sie schließt wollüstig die Augen, als hätte der Steinkopf ihren Kuss erwidert. Die Slow-Motion-Szene wirkt traumgleich, wie aus der Zeit gefallen.
"Selbstporträt mit Kopf" betitelte Valie Export dieses erste Kunstwerk von 1966/67, das nun ihre Albertina-Retrospektive eröffnet. Eine Perücke trägt die Künstlerin auch auf dem Foto "Aktionshose: Genitalpanik" im selben Saal, aber der Kontrast könnte größer nicht sein. Wilde Mähne, Waffe und entblößte Vulva haben die laszive Erotik abgelöst.
Blicke, Masken, (Auf-)Begehren und ein enormes Gespür für Medien: Noch keine 30 Jahre alt, schrieb die 1940 in bescheidene Verhältnisse hineingeborene Linzerin Kunstgeschichte. Leider wird Österreichs wichtigste Avantgardekünstlerin bis heute auf ihre Aufreger reduziert.