Von der Preview zum Early Cinema vor 120 Jahren
Die Wiener Open-Air-Kinos bieten schon in der ersten Halbzeit des Sommers ein äußerst vielfältiges Programm
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Österreichs einziges Rooftop-Cinema, das „Kino am Dach“ der Wiener Hauptbücherei, feiert Jubiläum mit einem Best-of aus 20 Jahren (Foto: GoGoGorilla/Stefan Dworak)
Kinobetreiber haben mit Open Airs gar keine Freude. Obwohl sie weniger Komfort bieten, die Technik selten auf dem neuesten Stand ist und es statt Popcorn-Kübeln oft nur lauwarmes Bier und lästige Gelsen gibt, zieht die ungeliebte Konkurrenz an lauen Sommerabenden vor allem junges Publikum in Scharen an. Weshalb dem so ist, mag eine Passage durch das vielfältige Angebot der gerade angelaufenen Freiluftkino-Saison erklären.
Partystimmung ist traditionell auf dem Karlsplatz angesagt, wo ein Kollektiv unter dem Namen Kaleidoskop zwei Wochen lang Programm gestaltet. Thema ist heuer die Stadt als Lebens-, Begegnungs-und Kulturraum. Die Filme, viele davon Österreichpremieren, führen von New York über Paris und Sarajevo bis nach Tokio. Die japanische Metropole ist Schauplatz des Dramas "Small, Slow But Steady" (13.7.), das auf der Autobiografie der (gehörlosen) Profiboxerin Keiko Ogasawara basiert. Sämtliche Filme werden mit englischen Untertiteln gezeigt, und eine Induktionsanlage ermöglicht Träger:innen von Hörgeräten respektive Implantaten die Teilnahme an den Screenings. Davor gibt es allabendlich Performances, Lesungen, Konzerte und Gespräche.
Ennio Morricone Forever
Ursprünglich als einmaliges Provisorium geplant, hat sich das "Kino wie noch nie" im Augarten inzwischen zum Publikumsmagneten mit ansprechender kulinarischer Begleitung entwickelt. Die gemeinsame Veranstaltung von Viennale und Filmarchiv Austria gleicht weniger einem Barockgarten als einer prächtigen Wildblumenwiese. Darin hat das Early Cinema von vor 120 Jahren ebenso seinen Platz wie erste Previews kommender Attraktionen aus dem Herbstprogramm -"Fallen Leaves" etwa, der neue Film des finnischen Kinomagiers Aki Kaurismäki (18.8.).
Ein besonderes Gustostückerl ist die Mini-Retrospektive "Morricone Forever", die neben einer großartigen Doku über den Maestro einige der Klassiker bringt, zu denen Ennio Morricone die Filmmusik schrieb: von Brian De Palmas historischem Gangsterepos "The Untouchables" (18.7.) bis zum Italowestern "Once Upon a Time in the West" (17.8.). Und sollte man einen Lieblingsfilm versäumen: am jeweils darauffolgenden Abend läuft er im Metro-Kinokulturhaus.
Filmerlebnisse in der Wüstenei
Wenn die Leute nicht mehr ins Kino gehen, muss das Kino zu den Leuten gehen. So ungefähr dürfte das Credo des einzigen Wiener Wanderkinos lauten. Bei freiem Eintritt sorgt das "Volxkino" auch an der Peripherie der Stadt für kollektive Filmerlebnisse. Locations sind unter anderem die als Manhattan bekannte Siedlung in der Floridsdorfer Mitterhofergasse oder die Putzendoplergasse vor der Volkshochschule Liesing.
Das Programm speist sich aus Arthouse-Erfolgen der jüngsten Vergangenheit, aus einheimischer Produktion etwa David Wagners "Eismayer" (14.7.) oder Claudia Müllers Doku "Jelinek - Die Sprache von der Leine lassen" (3.8.). Und im lauschigen Arenbergpark läuft auf Falter-Empfehlung der preisgekrönte Kriminalfilm "In der Nacht des 12." von Dominik Moll -allerdings erst in der Nacht des 13. (Juli).
Tags darauf eröffnet mit "frame[o]ut" in der Betonwüste MuseumsQuartier das letzte Open Air in diesem Monat. Bis Anfang September stehen jeden Freitag und Samstag aktuelle Produktionen auf dem Programm. Das Motto lautet "Resilienz", den Anfang macht "How to Blow Up a Pipeline", ein Umwelt-Action-Thriller von Daniel Goldhaber.
Und ein Kino auf dem Dach
Das Open Air mit dem King-Kong-ähnlichen Maskottchen feiert heuer 20-jähriges Jubiläum. Es ist bis heute Österreichs einziges Rooftop-Cinema und sein Programm, das sich von Ende Mai bis Ende August über volle drei Monate erstreckt, das üppigste aller heimischen Freiluftkinos.
Gespielt wird das Arthouse-Repertoire der letzten Zeit, eine gute Gelegenheit also, Verpasstes nachzuholen: von Feel-Good-Movies à la "Meine Stunden mit Leo" (9.7.) über brillante Feel-Bad-Movies wie "Die Gewerkschafterin" (1.8.) bis zu anspruchsvoller Doku-Kost, etwa Katharina Mücksteins "Feminism WTF"(13.7.).
Ganz schön ist die Reihe, die sich das "Kino am Dach" anlässlich seines Jubiläums selbst zum Geschenk gemacht hat, eine Art kleines Best-of aus 20 Jahren. Darunter finden sich einstige Publikumshits, die man inzwischen kaum noch im Kino zu sehen bekommt, Jim Jarmuschs "Ghost Dog - The Way of the Samurai"(11.7.) zum Beispiel oder die Jim-Carrey-Komödie "Eternal Sunshine of the Spotless Mind"(8.8.). Schlicht unvergesslich!
Kaleidoskop
Karlsplatz, täglich bis 14.7. (Eintritt frei)
Kino am Dach der Hauptbücherei, Urban-Loritz-Platz, täglich bis 10.9.
Kino wie noch nie
Filmarchiv im Augarten, täglich bis 20.8.
Volxkino,
wechselnde Locations, bis 16.9. (Eintritt frei)
Frame[o]ut im MuseumsQuartier, 14.7. bis 2.9. (Eintritt frei)
Mehr Kino
Die einzelnen Termine finden Sie im Kinoprogramm ab Seite 42 sowie online unter www.falter.at/kino