„Das würde ich nicht mehr machen wollen”

20 Jahre nach ihrer Einführung soll die europäische Währung ein neues Design bekommen. Wie entwirft man eine Banknote? Und worauf müssen die Designer achten? Ein Gespräch mit Robert Kalina, dem geistigen Vater der ersten Euro-Noten. 

vom 24.07.2023

Die EU hat eine Umfrage zum Design der neuen Euro-Banknoten gestartet. Bürgerinnen und Bürger können zwischen sieben Themen auswählen (z.B. Vögel, europäische Werte im Spiegel der Natur, Flüsse oder Hände). Hätten Sie schon eine Idee für einen Entwurf?

Kalina: Nein. Es ist mir alles ein wenig zu kompliziert. Ich kann mir nicht vorstellen, diese Themen in Bilder umzusetzen. Wie soll man Hände auf sechs verschiedene Weisen darstellen. Oder Flüsse? Und das Thema Vögel … Vögel für Europa? Das wäre eher etwas für Costa Rica. Die Themen sind zu abstrakt und es ist zu viel drinnen verpackt. Dass man das so rüberbringt mit den Möglichkeiten, die man auf einer Banknote hat, kann ich mir nur schwer vorstellen.

Bei Ihnen war das Thema Epochen und Stile in Europa. Das ist auch sehr unkonkret.

Kalina: Das ist zwar auch nicht konkret, aber man hatte wenigstens sieben europäische Stilrichtungen, von der Klassik bis zur Moderne zur Verfügung. Meine Idee war, dieses Thema mit Brücken, Fenstern und Toren zu transportieren und – was mir sehr wichtig war – es noch dazu mit einem einfachen symbolischen Hintergrund, nämlich der Verbindung zwischen den Ländern, der Öffnung und den Blick in die Zukunft, zu kombinieren.

Sie haben architektonische Motive verwendet. Sie hätten aber auch Personen auf den Banknoten abbilden können. Die Vorgabe war nur, dass es anonyme Personen sein müssen, damit es nicht zu nationalen Eifersüchteleien kommt, weil reale Personen mit einem Land in Verbindung gebracht werden könnten. Glauben Sie, dass auf den neuen Banknoten Köpfe abgebildet werden?

Kalina: Nein. Ein anonymer Kopf hat für mich keinen Wert und für bekannte Persönlichkeiten sind die Menschen in Europa noch nicht so weit. Da wäre es mit der Akzeptanz sehr schwierig.

Die Idee für die ersten Eurobanknoten kam Ihnen wenige Wochen vor Ausschreibungsende. Sie sagten einmal, dass es sechs Monate dauert, um eine Banknote zu designen. Wie haben Sie das innerhalb weniger Wochen geschafft? 

Kalina: Man hatte sechs Monate Zeit, Designvorschläge zu machen. Ich habe zuerst versucht, einen symbolischen Hintergrund für das Design zu finden. Da bin ich zum Beispiel auf die Säule für Stabilität, eine Kuppel für Sicherheit, ein Tor für die Öffnung und auf eine Brücke für das Verbindende gekommen. Das war aber für mich immer noch zu kompliziert, also habe ich diese beiden Symbole dann einfach für alle Banknoten in den verschiedenen Stilrichtungen verwendet. Ist leicht verständlich und man braucht es – wenn überhaupt – nur einmal zu erklären.

Wie haben Sie diese Idee innerhalb von drei Wochen zu Papier gebracht? 

Kalina: Die Entwürfe waren ja nur skizzenhaft. Ich habe aus Büchern geeignete Tore und Fenster ausgewählt und sie stilistisch so verändert, dass sie nicht mehr als reale Bauwerke zu identifizieren waren. Die Hauptarbeit ging erst nach dem Gestaltungswettbewerb los.

Wie kann man sich das vorstellen? Es gibt ein Foto der Österreichischen Nationalbank, wo Sie vor einem Computer sitzen, auf dem Bildschirm ist ein 20-Euro-Schein abgebildet. Haben Sie den Euro zur Gänze mit dem PC entworfen oder hatten Sie einen Skizzenblock?

Kalina: Skizzenblock hatte ich keinen. Man scannt Fotos ein und verändert diese mit Photoshop, man arbeitet mit einer gängigen Grafiksoftware.

Den Schilling zeichneten Sie aber noch mit der Hand?  

Kalina: Die letzten beiden Werte, den 1000- und 500-Schein, habe ich auch schon computerunterstützt designt. Aber ja, früher hat man alles mit der Hand gemalt. Man malt sozusagen nur ein Bild einer Banknote in Originalgröße und das ist dann die Vorlage für das Team, das dieses „Bild“ dann umsetzt und daraus eine Banknote macht. Das ist ein sehr aufwendiger und langwieriger Prozess, der nur von Spezialisten mit einer eigenen Sicherheitssoftware bewerkstelligt werden kann.

Ein Grund für die neuen Eurobanknoten ist, dass die Sicherheit verbessert werden soll. Was haben Sicherheitsaspekte mit dem Design zu tun? 

Kalina: Die Sicherheitsmerkmale und natürlich die besonderen Drucktechniken bestimmen zu einem großen Teil das Aussehen der Banknote. Sie sind sehr eng mit dem Design verbunden. Am auffälligsten sind diese Sichtfenster im Papier, wo man durchschauen kann und die speziellen Folienmerkmale. Aber auch die verschiedenen Druckverfahren vom Tiefdruck über Offsetdruck und Siebdruck und die Sicherheitsmerkmale im Papier, wie das Wasserzeichen bestimmen letztendlich das Aussehen der Banknote. Außerdem müssen noch dazu unsichtbare Merkmale und Messfelder für die elektronische Bearbeitung berücksichtigt beziehungsweise integriert werden.

Wie viel Gestaltungsspielraum hatten Sie bei den Euronoten?

Kalina: Sehr wenig, es ist ein sehr schmaler Pfad, auf dem man sich bewegen kann. Man bekommt eine Art Buch mit den Druckvorgaben und eben den geforderten Sicherheitsmerkmalen, die Spezialisten aus allen EU-Ländern in monatelangen Besprechungen ausgebrütet haben. Das ist das langwierige an dem Prozess: Alle teilnehmenden Länder müssen ja einverstanden sein. Dieses so genannte Briefing bekommt man dann als Designer und muss es einstudieren. Sobald man zu dem gegebenen Thema eine Idee hat, muss man die Sicherheit, das Thema und die Druckvorgaben irgendwie zusammenbringen.

Den Euro zu designen war demnach sehr viel komplizierter als den Schilling?

Kalina: Auf jeden Fall. Beim Schilling legte man den Entwurf dem Direktorium der Nationalbank vor, das dann die entsprechenden Entscheidungen trifft.

Wie haben Sie beim Schilling entschieden, ob Otto Wagners Porträt auf den 50er oder den 500er kommt?

Kalina: Man macht Vorschläge und das Direktorium wählt aus. Wie die Entscheidungen genau zustande gekommen sind, habe ich mich auch manchmal gefragt. Aber das liegt nicht im Entscheidungsbereich des Designers.

Sie sagten in einem Interview, dass es bei den neuen Eurobanknoten zu Konflikten kommen könnte. Warum? 

Kalina: Radikale Änderungen des Designs von Banknoten sind immer schwierig, besonders was die Akzeptanz in der Bevölkerung betrifft. Die vorgeschlagenen Themen, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, sind aus meiner Sicht auch nicht gerade dazu angetan, diese Akzeptanz zu fördern.

Bei Ihnen gab es auch Konflikte. 

Kalina: Ja, ein kleines Beispiel ist die Europakarte auf der Rückseite: Die Küstenlinie wurde ganz genau überprüft, ob nicht irgendwas fehlt. Beim ersten Entwurf haben zum Beispiel die Shetlandinseln gefehlt. Auch die griechischen Inseln waren ein Problem, weil manche so klein sind, dass sie gar nicht abgebildet werden konnten. Man hat dann den kleinsten druckbaren Punkt hochgerechnet und ist auf eine Mindestgröße von 400 Quadratkilometern gekommen. Inseln, die kleiner sind, mussten nicht dargestellt werden. Die einzelnen Länder sind da sehr empfindlich.

Sind Sie traurig, dass Sie bei dem Gestaltungswettbewerb für die neuen Euronoten nicht mehr mitmachen?

Kalina: (lacht) Nein, das würde ich nicht mehr machen wollen.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Alle Artikel der aktuellen Ausgabe finden Sie in unserem Archiv.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!