Das ist nicht normal
Nachhilfe
Vergangene Woche wurde ich zweimal fast von einem Auto überfahren. Beide Male hatte ich grün, zweimal wurde ich von Fahrradfahrern wüst beschimpft, weil ich – eine Baustelle machte es nicht anders möglich – für einen halben Meter extrem vorsichtig am Rand der Fahrradspur ging. So vorsichtig, weil ich schon einmal von einem Fahrradfahrer überfahren und ein anderes Mal angespuckt worden war; und viermal von einem E-Scooter so knapp überholt, dass ein falscher Schritt einen Unfall verursacht hätte. Eine ganz normale Woche im Leben einer Fußgängerin in Wien also.
Als Fußgängerin bin ich im Straßenverkehr das schwächste Glied der Kette. Früher waren zumindest mehrheitlich „nur“ Fahrradfahrerinnen* und Autofahrerinnen über mir, heute düsen Jugendliche ohne Führerschein und gehetzte Anzugträger auf gemieteten E-Rollern an mir vorbei, als gäbe es kein Morgen. Ich höre mittlerweile weder Podcast noch Musik beim Spazieren, aus Angst, die Verkehrsteilnehmerinnen auf Rädern nicht zu hören und angefahren oder beschimpft zu werden. Seit ich keine Musik höre, höre ich die anderen umso deutlicher: Ich höre die „Hurenkind“-Rufe, die Fensterscheiben, die extra hinuntergekurbelt werden, um den anderen wissen zu lassen, was für ein Volltrottel er ist. Die quietschenden Reifen, nachdem jemandem die Spur abgeschnitten oder völlig ohne Not ein gefährliches Überholmanöver gestartet wurde – erwachsene Verkehrsteilnehmerinnen benehmen sich schlimmer als Teenager im ärgsten Pubertätsrausch. Während die mit den Rädern unter sich nach solchen Auseinandersetzungen wegdüsen, bleiben nur wir Fußgängerinnen zurück.