Fröhlich, feministisch, verschwurbelt: „Barbie“

Greta Gerwigs pinkfarbene Satire führt in die Welt der Barbies und Kens – und infiziert sie mit dem Patriarchat

FALTER:Woche, FALTER:Woche 30/2023 vom 25.07.2023

Geplagt von ungewohnten Leiden, aber frohgemut bricht „Stereotypical Barbie“ (Margot Robbie) zu einem Abenteuer auf. Ein Ken (Ryan Gosling) begleitet sie (Foto: Warner Bros. Pictures)

Es war einmal eine klassische Barbie-Puppe: „Stereotypical Barbie“, eine junge, weiße Frau mit langem, blondem Haar und einer Vorliebe für die Farbe Pink. Sie lebte in ihrem Barbie-Haus und hatte jeden Tag einen großartigen Tag, vom Frühstück bis zur abendlichen Tanzparty.

Ganz Barbieland wird von den verschiedenen Barbies geschupft, die Kens sind nettes Beiwerk. Und die Barbies sind äußerst stolz auf sich: Weil sie so viele Berufe haben, können auch die Mädchen, die in der fernen Menschenwelt mit ihnen spielen, alles sein, was sie wollen.

Doch dann geht es mit „Stereotypical Barbie“ bergab. Sie hat schlechten Atem, Cellulite und Gedanken an den Tod. Sie findet heraus, dass sie in die „echte“ Welt reisen muss, um das Problem in den Griff zu bekommen. Ein Ken (Ryan Gosling) schließt sich ihr als blinder Passagier an.

Aber ach, wie anders ist die Menschenwelt! Wo sind all die Frauen in den wichtigen Positionen? Nur Ken ist begeistert: Hier regieren ja die Männer! Als die beiden Puppen drei Verfolgungsjagden später– ihr Auftauchen ist insbesondere vom rein männlichen Vorstand ihres Mutterkonzerns Mattel nicht gern gesehen – ins Barbieland zurückkehren, wird alles anders. Die Kens rufen das Patriarchat aus. Der Geschlechterkampf beginnt.

Was ich vermitteln will, ist: Du bist schon okay. Du musst dir deinen Wert nicht erarbeiten, du bist bereits wertvoll
Regisseurin Greta Gerwig in der „Zeit“

Zum 60. Geburtstag der Barbie-Puppe, die die US-Amerikanerin Ruth Handler 1959 erfand, wurde ein „Barbie“-Spielfilm angekündigt. Die Idee dazu hatte Margot Robbie, die auch als Hauptdarstellerin und Produzentin fungiert. Sie holte die Indie-Filmerin Greta Gerwig („Lady Bird“, „Little Women“) ins Boot, die gemeinsam mit ihrem Partner, Noah Baumbach, auch das Drehbuch schrieb.

Seit Monaten erlebt die Welt einen neuen Barbie-Hype: Unter dem Namen „Barbiecore“ eroberten Mode, Accessoires, Einrichtungsgegenstände und Styles in allen Pinktönen sowie mit einem „girly“ Touch die Herzen von Prominenten und Normalos. Plötzlich ist die Aura von Barbie hip, Kritik an ihr als Symbol für Kapitalismus und ungesunde Körperbilder tritt in den Hintergrund.

Auch um den Kinofilm entstand ein Hype. Medien, Instagramer und Influencer überschlagen sich vor Freude, seit der erste Trailer veröffentlicht wurde.

Wird die Plastikpuppen-Satire dem gerecht? Ja und nein. Zuallererst: Der Film macht viel Spaß. Etwa mit dem als Reverenz an Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ gestalteten Beginn, begleitet von Helen Mirrens lakonischer Erzählerinnenstimme. Hier wird ein bitterböser feministischer Humor etabliert, der schlicht das Beste an diesem Werk ist.

Alles, was Gerwig/Baumbach als scharfe und klare Gesellschaftskritik in „Barbie“ eingebaut haben, lässt den Film glänzen, weil es unsere Realität in einer Puppenwelt zur Kenntlichkeit entstellt: Im vom Patriarchat „infizierten“ Barbieland zeigen sich die Barbies bald hilflos zur Unterwürfigkeit manipuliert. Stoppen kann diese Gehirnwäsche nur eine feministische Brandrede gegen die unrealistischen und widersprüchlichen Erwartungen, die insbesondere an Frauen gestellt werden.

Gelungen sind auch die vielen weiteren Filmzitate sowie das Spiel mit Wechselwirkungen zwischen Puppenwelt und „echter“ Welt. Gerwig und Baumbach haben allerdings keine kongruente Symbolik ins Drehbuch geschrieben. Hier kriegt der Hype Risse – „Barbie“ wirkt mit fortlaufender Handlung ganz schön verschwurbelt. Doch ein analytischer Zugang ist sowieso fehl am Platz. In diesem kunstvoll durchgeknallten, zuckerlbunten Vergnügungspark gilt es, sich mitzunehmen, was gefällt.

Weniger gefällt, dass „Barbie“ es allen recht machen möchte. Abgesehen von den gesellschaftskritischen Spitzen wird vieles in sanftmütiger Schwebe gehalten: Ein grantiges Menschenmädchen entwickelt sich in kürzester Zeit zur idealistischen Kämpferin, die Männerkapitalistentruppe besteht ja doch nur aus harmlosen Quatschköpfen, und der Geschlechterkampf endet mit „Erkenne dich selbst“-Epiphanien.

Gerwigs sympathische Message kommt dennoch an. „Ich glaube, alles, was ich den Leuten, aber auch mir selbst vermitteln will, ist: Du bist schon okay. Du musst dir deinen Wert nicht erarbeiten, du bist bereits wertvoll“, sagte sie in einem in Pink abgedruckten Interview mit der Zeit.

Ein Makel der Film gewordenen Plastikwelt ist allerdings unübersehbar: die Verbindung zum Konzern Mattel. Gerwigs origineller, sehenswerter Blockbuster hat den unangenehmen Beigeschmack, dass mit ihm auch ein reales Spielzeug gehypt wird. „Barbie“ ist ein Film für Erwachsene, die massive Werbung auf allen Kanälen wird Kindern aber nicht verborgen bleiben. Kino und Konsumismus rücken hier unbehaglich eng zusammen.

Bereits in den Kinos (OmU im Filmcasino, Filmhauskino, Votiv, OF im Haydn, Burg, Artis)

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