Der Duft der Stadt
Die Kulturwissenschaftlerin Stephanie Weismann zeichnet Riechkarten der Stadt und will so Geruchsgeschichte schreiben. Ein Spaziergang durch Wien – immer der Nase nach

Die Kulturwissenschaftlerin Weismann bietet Interessierten Geruchsspaziergänge an und lehrt, besser zu riechen. Dafür muss man nah ran (Foto: Heribert Corn)
Zu Stephanie Weismanns Beruf gehören befremdliche Blicke: Sie beugt sich nach vorne, hebt das Kinn und geht so nah ran wie menschenmöglich – egal, ob ihre Nase an einen Mistkübel oder einen Blumentrog ragt. Berührungsängste können sich Geruchsforscherinnen nicht leisten.
Das mit der Berufsbezeichnung ist aber so eine Sache: Weismann ist Kulturwissenschaftlerin an der Universität Wien. Doch schon bei ihrer Dissertation über das habsburgerische Galizien (die östlichste Provinz des Kaiserreiches) stolperte sie über Reiseberichte, die Kolonialherren von ihren Stationen verfasst hatten.
Beamte mit feinen Wiener Nasen berichteten über den üblen Gestank der Kolonie, über Dreck auf den Straßen und Stereotype aller Art: Ukrainer, die als Bauern arbeiteten und traditionelle Schafsfelljacken mit entsprechender Duftnote trugen. Juden, von verschiedensten Zeitgenossen seit dem Mittelalter beflegelt, sie würden nach Zwiebel und Knoblauch „stinken“.