„Wir Free Jazzer waren die Alibi-Idioten“
Die Schlagzeug-Legende Günter „Baby“ Sommer begeht ihren 80er. Ein Gespräch über Jazz in der DDR, Sommers Stasi-Akte und seine legendären Solo-Konzerte mit Sichtbeschränkung

Günter „Baby“ Sommer: „Ab 1979 wurden wir in den Westen exportiert – nicht zuletzt der Devisen wegen" (Foto: Heribert Corn)
Am 22. und 23. September wird gefeiert: Unter dem Motto „Unser Baby wird 80!“ richtet die Semperoper in Dresden Günter „Baby“ Sommer ein (etwas verspätetes) Geburtstagsfest aus. Beide Abende sind längst ausverkauft. Dass man einen Free-Jazz-Schlagzeuger als großen Sohn der Stadt hochleben lässt, dürfte weltweit einzigartig sein. Günter Sommer ist aber auch ein einzigartiger Musiker. „Als Mensch ein Solist“ lautet der Titel eines Films aus dem Jahr 2014, der ihn auf einer Tour begleitet und sein Schaffen dokumentiert.
Mit Anfang 20 trommelte Sommer, dessen Spitzname sich vom Jazzschlagzeug-Pionier Warren „Baby“ Dodds (1898–1959) herleitet, in der Bigband von Klaus Lenz, die auch den legendären DDR-Schauspieler und Sänger Manfred Krug begleitete. In den 1970er-Jahren dann wandte er sich dem Jazzrock zu und avancierte mit der Band Synopsis zu einer zentralen Figur der DDR-Jazz-Avantgarde. Deren Mitglieder – neben Sommer noch Ulrich Gumpert (Piano), Conny Bauer (Posaune) und der kürzlich verstorbene Ernst-Ludwig Petrowsky (Saxofon) taten sich Mitte der 1980er-Jahre unter dem Namen Zentralquartett zusammen und traten auch gemeinsam mit dem aus der DDR ausgebürgerten Sänger Wolf Biermann auf.