„Die tatsachenwidrigen Aussagen“
Die Korruptionsermittler der WKStA klagen Sebastian Kurz und zwei seiner engsten Vertrauten wegen Falschaussage an. Doch wie dicht sind ihre Beweise? Und was kommt jetzt auf die Angeklagten zu?

Illustration: Max Jurasch
Michael Radasztics hat keine Scheu vor großen Namen. Als Staatsanwalt ermittelte er gegen schillernde Persönlichkeiten wie die Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und Peter Hochegger, den Banker Julius Meinl V. oder Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser.
Seit Anfang Jänner ist Radasztics nicht mehr bei der Staatsanwaltschaft, sondern Richter am Landesgericht für Strafsachen in Wien. Er wird es auch in seiner neuen Rolle mit großen Namen zu tun bekommen. Radasztics wurde per Zufallsgenerator als Richter für ein besonders heikles Gerichtsverfahren ausgewählt. Er verhandelt ab 18. Oktober die Frage, ob Sebastian Kurz vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss unter Wahrheitspflicht gelogen hat. Neben Kurz sind auch zwei seiner engsten Vertrauten angeklagt: sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli und die frühere stellvertretende ÖVP-Parteichefin Bettina Glatz-Kremsner. Mehr als zwei Jahre lang haben die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an ihrem Strafantrag gegen Kurz getüftelt, akribisch die Informationsflüsse zwischen Spitzenpolitikern von ÖVP und FPÖ, Ministerialbeamten und Kabinettsmitarbeitern ausgewertet. Sie haben Zeugen vernommen, Chat-Nachrichten gesichert und diese mit Sitzungsprotokollen aus Ministerien abgeglichen. Die 108 Seiten umfassende Anklageschrift ist eine minutiöse Aufarbeitung von Hinterzimmerdeals und Parteibuchwirtschaft während der türkis-blauen Koalition. Es ist die haarkleine Rekonstruktion von Absprachen im kleinsten Kreis des türkisen Machtzirkels.