Der Tritt-den-Hund-Regisseur
Lange Zeit wurde der amerikanische Filmemacher Sidney Lumet als verlässlicher Routinier gehandelt. Eine aktuelle Retrospektive zeigt, dass er seiner Zeit sehr oft weit voraus war

Foto: Österreichisches Filmmuseum
Er gehört zu den Klassikern des US-amerikanischen Kinos, ein Hollywoodregisseur aber war er nie. Sidney Lumet ist als Filmemacher der Stadt New York so sehr verbunden wie sonst wohl nur Woody Allen oder der frühe Martin Scorsese. Doch das eine Meisterwerk, das jeder kennt, einen „Taxi Driver“ oder „Stadtneurotiker“, sucht man bei ihm vergebens. Lumets heute bekanntester, weil in Dauerschleife im Fernsehen laufender Film ist die Agatha-Christie-Adaption „Murder on the Orient Express“ aus den 1970ern – einer seiner raren Routinejobs, dessen Anspruch nicht über den „guter Unterhaltung“ hinausgeht.
Umso spannender ist die Retrospektive, die das Wiener Filmmuseum dem Regisseur nun zum Auftakt der Herbstsaison widmet. In 50 Jahren hat Sidney Lumet (1924–2011) fast ebenso viele Filme gedreht, und erst im Rückblick auf seine Karriere wird die Vielgestaltigkeit dieses enormen Œuvres greifbar. Es vereinigt mehr als 50 Oscar-Nominierungen auf sich, darunter auch fünf für den Filmemacher selbst: für die beste Regie von „12 Angry Men“ (1957), „Dog Day Afternoon“ (1975), „Network“ (1976) und „The Verdict“ (1982) sowie als Co-Drehbuchautor für „Prince of the City“ (1981).