„Rassismus ist Teil unserer so stolzen Zivilisation“
Die Historikerin Doris Byer erlebte Flucht und Bohème, Wiener Salons und Rastafaris. Die Arbeit der bürgerlichen Antirassistin hat eine größere Aufmerksamkeit verdient

Doris Byer: „Wir dachten: Die paar Rassisten sterben irgendwann, und dann ist alles besser“ (Foto: Anna Stöcher)
Als die damals 26-jährige Doris Bernatzik 1969 die evangelische Kirche in der Dorotheergasse betrat, regnete es nicht nur Blumen. Der als Brautführer vorgesehene Onkel weigerte sich, seine Nichte einem „Bantu-N...“ zu übergeben. Doris sah im Bräutigam Trevor Byer einen einfühlsamen, gebildeten Mann. Manche hingegen zischelten. „Es ist schade um dich“, stand auf einem Billett. Bernatzik, nunmehr Byer, dachte sich nichts dabei. Noch nicht.
Die Arbeit der heute 81-jährigen Historikerin, die vor allem in Fachkreisen bekannt ist, hat mehr öffentliche Beachtung verdient. Doris Byers neuestes Buch „Weiße Haut – Schwarze Seele“ handelt von Rassismus, einem Thema, das sie biografisch und wissenschaftlich beschäftigte. Sie spannt darin den Bogen vom Flüchtlingskind im Montafon über das bürgerliche Elternhaus bis zu den Jahren in Jamaika. Ein Kapitel widmet sie der Beschäftigung mit dem Nachlass des Vaters, des bekannten Reiseschriftstellers Hugo Adolf Bernatzik (1897–1953). Mit einem Blick für die großen Zusammenhänge analysiert Byer Rassismus als Ideologie des 19. Jahrhunderts, die bis in die Gegenwart nachwirkt.