Dystopische Shakespeare-Sommernacht: Triggerwarnung, Gender und Klimawandel

FALTER:Woche, FALTER:Woche 36/2023 vom 05.09.2023

Es herrscht Weltuntergangsstimmung: Die Erde ist in Dunkel gehüllt, der Wald kränkelt massiv. Vier dünne Bäume, ein rostiger Container und ein Autofriedhof bilden den Schauplatz von Barbara Freys Inszenierung von „Ein Sommernachtstraum“ (Bühnenbild: Martin Zehetgruber). Als Stück der Stunde in unserer krisengebeutelten Zeit bezeichnet die Regisseurin die über 400 Jahre alte Shakespeare-Komödie.

Normalerweise geraten die Interpretationen des Stücks leichtfüßig. Die Regisseurin und Leiterin der Ruhrtriennale – das Stück ist eine Koproduktion mit dem deutschen Festival – legt es düsterer an. Frey nimmt den Abend ernst, und das tut ihm überraschend gut. Themen wie Klimawandel, Triggerwarnung und Genderfluiditäten treten zutage, ohne dadurch aber den Humor zu verdrängen – er wird nur schwärzer.

Hier hüpft kein Elf lustig durch den Wald und verzaubert die Liebenden. Vielmehr schlurft Puck (Dorothee Hartinger) lebensmüde in schwarzem Anzug mit dem Strick in der Hand durchs Szenenbild und streut unmotiviert Lysander (Marie-Luise Stockinger) und Demetrius (Langston Uibel) das Kraut ins Gesicht, das ihr Verliebtsein neu kanalisiert. Haben sie davor noch beide Hermia (Meike Droste) begehrt, darf es nun nur noch Helena (Lili Winderlich) sein. Die fühlt sich von der plötzlichen Wendung des Begehrens zu Recht verarscht.

Gleichzeitig planen Theseus und Hippolyta ihre Hochzeit. Die Handwerker proben phlegmatisch für die Festlichkeiten das Theaterstück „Pyramus und Thisbe“ und überlegen sorgfältig, welche Triggerwarnungen angebracht wären. Und das Elfenpaar streitet. Frey besetzt die Rollen genderfluid: Sylvie Rohrer gibt etwa den Elfenkönig Oberon und Markus Scheumann die Titania, die, mit hoher Haarpracht und Meerjungfrauenkleid, den zum Esel verwandelten Handwerker Zettel (Oliver Nägele) begehrt.

Ein Highlight sind Sabine Haupt und Gunther Eckes als Elfen in gruseliger Schulmädchenuniform beim Headbangen zum Glockenspiel von Josh Sneesby: langsam, synchron und melancholisch.

Burgtheater, Sa 19.30

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