Kunstgenuss mit Parkanbindung

Zwei Messen und ein Galerienfestival sorgen dieser Tage für einen heftigen Saisonstart der Wiener Kunstszene

FALTER:Woche, FALTER:Woche 36/2023 vom 05.09.2023

Beim Festival Curated by zeigt die Gruppenschau „The Dark Side of White“ in der Charim Galerie inszenierte Fototableaus von Lisl Ponger (Foto: Lisl Ponger)

Im Sommer nur das Meer oder die Berge bewundert? Nie mit Menschenmassen vor Museumskassen angestanden? Keine Sorge, zu Beginn der Herbstsaison starten gleich drei große Events, die alle Kunstvergessenheit vergessen machen.

Um sich langsam wieder einzugewöhnen, eignen sich die Locations der Kunstmessen Parallel und Viennacontemporary bestens, denn beide liegen in Parks. Einst wurden labile Künstler, Dichter und Denker in die Pavillons des Otto-Wagner-Spitals weggesperrt, jetzt kann sich dort die junge Szene austoben.

Messe I: Parallel Vienna

Ab 5. September setzt sich der Kunsttross in Richtung Baumgartner Höhe in Bewegung, gastiert doch heuer die Alternativmesse Parallel Vienna in der ehemaligen Nervenklinik. Gewohnt abgerockt, aber einmal mehr voll shabby chic, setzt der Verkaufsevent seine Formate in leerstehenden Krankenzimmern fort.

Das Zauberwort heißt „Statement“: Solche Stellungnahmen kommen mal als reguläre Galerienware daher, mal als Solo-Auftritte von Künstlerinnen und Künstlern, die bei der Gestaltung Narrenfreiheit genießen. Wer leistbare Kunst kaufen möchte, wird häufig bei den Präsentationen von Projekträumen und Offspaces fündig.

Damit Qualität und Look stimmen, wählt eine Jury die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Parallel aus. Es dominiert heimische Kunst mit internationalen Einsprengseln, vor allem aus deutschsprachigen Ländern. Unter dem Titel „Horror vacui“ (der zu der ebenso weitläufigen wie vollgestopften Veranstaltung insgesamt passt) zeigt eine Ausstellung Arbeiten von mehr als 100 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Arrivierte wie Elisabeth von Samsonow, Gelatin oder Heimo Zobernig, und Newcomerinnen wie die aus Dänemark stammende Sigrid Mau oder die Wienerin Julia Haugeneder.

Messe II: Viennacontemporary

Durch den Stadtpark und vorbei am goldenen Johann-Strauß-Denkmal geht es in die Säle des Kursalons. Unter dessen üppigen Lustern und Stukkaturen bieten bei Viennacontemporary von 7. bis 10. September wieder rund 60 geladene Galerien ihre Kunstwerke feil.

Split, Breslau, Kiew, Tartu: Schon die Städte, aus denen Galerien anreisen, machen neugierig auf ihr Programm. Die Messe bleibt ihrem Interesse an Ost-Europa treu, wenn auch verhaltener, nachdem sich der russische Hauptgesellschafter Dmitry Aksenov letztes Jahr verabschiedet hat.

Die Turbulenzen, die ihre Eigentümer- und Standortwechsel ausgelöst haben, scheint die Viennacontemporary fürs Erste überstanden zu haben – auch dank massiver Corona-Förderungen, wie der Standard kürzlich berichtete.

Die inhaltliche Ausrichtung ist bewusst politisch gewählt. 2022 stand die Situation der Ukraine und ihrer Künstlerinnen und Künstler im Fokus. Heuer drehen sich zwei Podiumsdiskussionen um Staatsbürgerschaft, Zugehörigkeit und Inklusion in Europa. Diese Gespräche finden am Tag vor der Vernissage statt – am 6. September ab 15.30 Uhr im Hotel Almanac am Parkring. Nur einen Katzensprung entfernt eröffnet dann um 18 Uhr im Kunstverein das weisse haus die Gruppenschau „Not Either Or, But And“. Die von Kuratorin Laura Amann ausgewählten Arbeiten gehen das Gegensatzpaar von Verbundenheit und Isolation auf persönlichere, aber nicht weniger kritische Weise an.

Curated by: Neutral oder parteiisch?

Von 8. bis 14. September sorgt auch wieder das Festival Curated by für Überraschungen, wenn externe Kuratorinnen und Kuratoren Galerien bespielen. Bereits seit 2009 bringt der städtisch geförderte Ausstellungsreigen spannende Leute nach Wien, um ihnen zu zeigen, dass es hier weit mehr als nur Klimt und Schiele gibt.

Für den inhaltlichen Überbau sorgt heuer der Wiener Ausstellungsmacher Maximilian Geymüller. Sein Impulsaufsatz „The Neutral“ stellt zur Debatte, was Nichteinmischung überhaupt bedeutet. „Können wir uns Neutralität oder das Neutrale als Handlungsmaxime leisten?“, fragt der 1980 geborene freie Kurator in seinem Essay, der als Inspiration für die Ausstellungsserie dienen soll.

Nicht weniger als 24 Galerien sind bei dem sechswöchigen Festival mit von der Partie. Es stehen auch wieder kostenlos geführte Touren sowie eine Menge Events an den Eröffnungstagen Freitag, 8.9., und Samstag, 9.9., auf dem Programm.

Also los, Schuhe gut schnüren! Der Sommer mag zu Ende gehen, aber dafür blüht herbstzeitlose Kunst.

Parallel Vienna, Otto-Wagner-Areal, 5. bis 10.9.
parallelvienna.com

Viennacontemporary, Kursalon Stadtpark, 7. bis 10.9.
viennacontemporary.at

Curated by, diverse Galerien, 8.9. bis 14.10.
curatedby.at

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