Mutters Hände waren immer kalt: Die „Mutter-Romane“ des heurigen Bücherherbstes
Mama ist die Beste! Oder doch die Ärgste? Die Frage wird von den soeben zum Auftakt des heurigen Bücherherbstes erschienenen „Mutter-Romanen“ auf sehr verschiedene Weise und mit ganz unterschiedlichen literarischen Mitteln beantwortet. Verfasst wurden sie von Cordelia Edvardson, Maxim Biller, Maja Haderlap und Wolf Haas

Das abgebildete Emailschild, das eine Kellnerin aus einer Kwaskaschemme und Tex Rubinowitz zeigt, wurde von Letzterem in Auftrag gegeben und entstand 2001 am Rande der Dreharbeiten zu Andrea Dusls Film „Blue Moon“ in Odessa (Foto: Hertha Hurnaus)
Es rappelt in der Kleinfamilie. Seit Sophokles in den 420er-Jahren vor unserer Zeitrechnung seinen Longseller „König Ödipus“ auf den Markt geworfen hat, vergeht keine Buchsaison, in der das Dramadreieck Vater-Mutter-Kind literarisch ungenutzt bliebe. Die mehr oder weniger fiktiv verhüllte oder offen autobiografische Auseinandersetzung mit der Mutter bildet dabei ein eigenes Subgenre, das mit Peter Handkes „Wunschloses Unglück“ (1972) dank progressiver Deutschlehrer und -lehrerinnen Pflichtlektürestatus errang. Mit einem Auszug aus seinem Werk „Rabenliebe“, das von der emotionalen Kälte sowohl der leiblichen als auch der Adoptivmutter handelt, erlas sich Peter Wawerzinek 2010 den Ingeborg-Bachmann-Preis, und vor wenigen Jahren avancierte in Romanen von Michael Ondaatje, Dirk Brauns und Stewart O’Nan gar die Mutter als Spionin zur ambivalenten Romanheldin.