Von Escape-Rooms und Windeln aus Holzspänen
Die Vienna Design Week schlägt ihr Quartier im zweiten Bezirk auf. Am Praterstern eröffnet nun auch das Café Engländer

Zum Ausprobieren: Mowo, der Hocker aus federndem Formsperrholz, soll Kreativität fördern (Foto: Niko Havranek)
Noch ist die Polizeistation am Praterstern verwaist und verlassen. Doch schon bald werden dort Espresso und Weißwein serviert. „Pünktlich zu unserem Festivalstart soll die neue Außenstelle des Wiener Innenstadtcafés Engländer eröffnen“, sagt der Direktor der Vienna Design Week, Gabriel Roland, und zeigt auf die schmucklose ehemalige Polizeiwache. In Kürze werden im Garten des neuen Lokals Netze wie Hängematten gespannt sein. Sie sollen die Besucherinnen und Besucher einladen, gemütlich an einer Wiener Melange zu nippen und einfach abzuhängen. An diesem warmen Nachmittag, zwei Wochen vor Festivalbeginn, führt Roland, der die Vienna Design Week (VDW) seit drei Jahren leitet, den Falter schon einmal durch den diesjährigen Fokusbezirk, die Leopoldstadt.
Vom Verkehrsknotenpunkt nur ein paar Minuten entfernt hat sich Österreichs größtes Designevent mit seiner Zentrale niedergelassen. Eingezogen ist sie in das frühere magdas Hotel am Rande des Praters.Von den Balkonen blicken Festivalbesucher auf Baumwipfel und das Riesenrad. Von einer Terrasse aus sieht man das Wahrzeichen des Bezirks sogar durch ein riesiges rotes Herz. „Dieses Motiv werden wir während der Festivalzeit hoffentlich oft auf Instagram sehen“, sagt Roland enthusiastisch.
Zuletzt wurde das Gebäude, in dem sich das Hotel befand, als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Auf vier der sechs Stockwerke hat sich nun die VDW samt eigenem Café ausgebreitet. Die rund 200 Ausstellungen, Workshops und Präsentationen der 17. Festivalausgabe bleiben aber nicht nur im zweiten Bezirk, sondern sind über die ganze Stadt verstreut. Der Eintritt ist meist frei, erwartet werden 40.000 Gäste.
In den einstigen Hotelräumen werden Schauen präsentiert wie „Design Everyday“, ein Best-of österreichischen Produktdesigns der letzten Jahre, von der Handprothese bis zum Sessel. In der weiß gekachelten ehemaligen Küche versucht man im Rahmen des Formats „Re:Form“ Design, Unternehmensberatung und Industrie zusammenzubringen, damit gemeinsam über Nachhaltigkeit in den Betrieben nachgedacht werden kann. Mit dabei ist der Snackhersteller Kelly’s. Auf dessen Popcorn-Sackerln ist zwar die US-amerikanische Flagge zu sehen, das Unternehmen selbst ist jedoch in Österreich beheimatet. In Wien und der Steiermark beschäftigt es an die 260 Mitarbeiter.
Im Programmpunkt „Urban Food & Design: City as a Resource“ lädt das Festival Kreative und Lebensmittelversorger wie City Farm Augarten, die Biomarke Wiener Gusto oder das Biotech-Start-up Arkeon ein, sich auch mit gestalterischen Designideen zu befassen. Das Unternehmen Arkeon fokussiert ansonsten auf einzellige Archaea-Mikroorganismen, um CO2 direkt in Protein-Inhaltsstoffe umzuwandeln.
Seit Beginn gehören die sogenannten Passionswege zur VDW, sie beleuchten das Potenzial von traditionellem Handwerk. Nationale und internationale Designer treffen dabei auf Wiener Betriebe und versuchen, Historisches mit Konzeptionellem zu vereinen. Dieses Jahr sind es die Hutmacherin Eva Siebert mit ihrem charmanten Atelier namens Biester am Karmelitermarkt und die Ofenmanufaktur Pyrarium an der Oberen Donaustraße. Was bei der Begegnung herauskommt, ob ein eigenes gemeinsames Objekt oder nur Wissenstransfer, zeigen die Führungen durch die Ateliers. „Vermarktungsdruck gibt es dabei nie“, erklärt Festivalleiter Roland das Format.
Den Abwasch weniger eintönig machen die handbedruckten Geschirrtücher von Prater&Stern, die von Künstlern exklusiv für das Festival gestaltet wurden. Mit Siebdrucktechniken verwandeln sie ihre bunten Ideen auf Küchentextilien der Mühlviertler Leinenweberei Vieböck. 25 Euro kosten die kleinen Kunstwerke, auf die entweder hübsche grafische Muster oder dicke Katzen geprintet sind.
Nicht vordergründig den Konsum feiern möchte das Einrichtungshaus Ikea, das unter anderem das Festival sponsert und auch sechs der 16 Quadratmeter großen früheren Hotelzimmer einrichtet. Eines davon sieht aus wie ein Kinderzimmer. Bei näherer Betrachtung stellt es sich jedoch als Escape-Room heraus. In einem anderen holt der schwedische Konzern anlässlich seines eigenen 80-Jahr-Jubiläums Kollektionen der Vergangenheit aus seinen Archiven.
Nur ein paar Schritte weiter stellen Studierende der Fachhochschule Joanneum Graz ihr Schaffen aus. Die künstlerischen Projekte im Einklang mit dem technischen Fortschritt gehören zur Schau „Debüt“. Gezeigt wird, wie Bauen ohne Bodenversiegelung geht oder wie Windeln für Inkontinenz aus Holzspänen aussehen. Dabei ist auch ein Fernglas, das sich zur Vogelbeobachtung empfiehlt. Bevor man das Tier vor die Linse holt, ortet es die Richtung, aus der es zwitschert. Man fragt sich, warum das Ferngläser bis jetzt nicht konnten.
Vienna Design Week, 22.9. bis 1.10. www.viennadesignweek.at
Die Ausstellungen
Design Everyday, Urban Food Design: City as a Resource, Debüt und Re:Form; Festivalzentrale im Prater: 2., Laufbergergasse 12
Passionswege: Pyrarium, 2., Obere Donaustraße 77 und Hutmode Biester, 2., Große Pfarrgasse 16–18
Präsentation Drop in and Print! bei Prater&Stern, 2., Lessinggasse 5/3
Stadtvernetzungen am Praterstern 9